Kerstin Pflieger: Die Alchemie der Unsterblichkeit (Buch)

Kerstin Pflieger
Die Alchemie der Unsterblichkeit
Titelbild: FinePic, Jürgen Gawron
Goldmann, Paperback mit Klappenbroschur, 352 Seiten, 12,00 EUR, ISBN 978-3-442-47483-7 (auch als eBook erhältlich)

Von Gunther Barnewald

Der junge Intellektuelle Icherios Ceihn arbeitet im Karlsruhe des Jahres 1771 für die „Kanzelley zur Inspektion unnatürlicher Begebenheiten“. Sein erster Auftrag führt ihn in den tiefsten, dunkelsten Schwarzwald, dorthin, wo es besonders unheimlich ist und zu seiner Überraschung Vampire, Werwölfe und Menschen miteinander in scheinbarer Eintracht leben.

Jedoch erschüttern bestialische Morde die kleine Gemeinde Dornfelde und schüren dass Misstrauen der verschiedenen Gruppen untereinander aufs Heftigste. Bald wird auch der junge Ermittler mitten hineingezogen in den Strudel von Hass und Vorurteilen und seine wohlbehaltene Rückkehr nach Karlsruhe wird immer unwahrscheinlicher, wenn er den Täter nicht bald entlarvt...

Kerstin Pflieger ist mit ihrem Erstling ein erstaunlich erfrischendes und extrem unterhaltsames Debüt gelungen. Sympathisch auch, dass die junge Autorin die Vorbilder ihrer Geschichte nicht verheimlicht, denn der Name des Protagonisten Ischerios Ceihn ist ein mehr als deutlicher Hinweis auf Ichabod Crane, den berühmten Protagonisten aus einer Erzählung von Washington Irving, die mittlerweile schon mehrfach verfilmt wurde (zuletzt sehr prominent besetzt mit Johnny Depp unter der Regie von Tim Burton). Ähnlich wie sein Vorbild ist auch der hiesige Ermittler ein eher ängstlicher, leicht selbstunsicherer Mensch, hat sogar ein düsteres Geheimnis, welches im Buch mehrfach erwähnt wird. Ganz große Stärke des Romans ist jedoch die unheimliche Atmosphäre des von dunklen Zaubern durchdrungenen Schwarzwalds. Die Bedrohungen durch Irrlichter, Ghoule oder einen untoten Bären sorgen für Schockeffekte und große Spannung.

Ebenfalls brillant entworfen sind die verschiedenen Charaktere, und dass die Autorin nicht davor zurückschreckt auch Sympathieträger zu opfern und dem Mörder anheimfallen zu lassen, spricht ebenfalls für Kerstin Pflieger. Einziges kleines Manko ist sicherlich, dass der Killer vom Leser schon nach etwas mehr als 200 Seiten entlarvt werden kann, denn zu früh wird dessen Motiv deutlich, und auch durch eine weitere Gegebenheit (ein Dramatis Personae ist normalerweise eine schöne Sache, in diesem Fall aber eine böse Falle!) misslingt es der Autorin, die Mördersuche bis zum Ende spannend zu halten (die kurzen Kapitel, die aus der Sicht des Killers geschildert sind, verraten dabei leider die letzten Geheimnisse und sind somit völlig unnötig und ein weiterer unnötiger Fehler). Dies fällt aber ob der Spannung und der Gefahren, in die sich die Protagonisten begeben, gegen Ende zum Glück kaum ins Gewicht, so dass der Leser den Stoff trotzdem in sich aufsaugt wie ein Süchtiger.

Da der Verlag auch ankündigt, „Die Alchemie der Unsterblichkeit“ sei erst der „Beginn einer neuen spannenden Mystery-Serie“, dürfen sich alle Rezipienten freuen, die begeistert waren über die Lektüre eines so atmosphärisch dichten, packend konstruierten und wunderbar erzählten Romans. Hoffentlich gelingt es der Autorin, die kleineren Fehler im nächsten Werk vollständig zu vermeiden und ihr eigenes hohes Niveau zu halten oder gar mit Weiterentwicklung ihrer schriftstellerischen Fertigkeiten noch zu steigern. Man darf gespannt sein, denn Ischerios Crane trägt zweifellos viel Potential in sich, vor allem wenn die Autorin abgenutzte Klischees dermaßen umgeht oder neu anordnet, wie sie es im vorliegenden Buch getan hat.