Kastner, Jörg: Teufelssohn (Buch)

Jörg Kastner
Teufelssohn
Titelillustration von Fine Pic
Knaur, 2009, Taschenbuch, 424 Seiten, 8,95 EUR, ISBN 978-3-426-63288-8

Von Carsten Kuhr

Schon einmal war der kleinste Staat der Welt vom Bösen bedroht. Die Söhne des Alten wollten das wahre Grab Christi schänden, der dort gefangengehaltene Dämon die Herrschaft über den Erdenkreis an sich ziehen. In letzter Sekunde konnten die Beteiligten, allen voran die Römische Kommissarin Claudia Bianchi und der ehemalige Jesuit Paul Kandrell, die Gefahr abwenden.

Danach aber trennten sich ihre Wege und Claudia befürchtete das Schlimmste. Hatte Paul, nachdem er erfahren hatte, dass er ein Nachkomme des Teufels sei, seinem Leben wirklich selbst ein Ende gesetzt? Und das, ohne zu wissen, dass er bald Vater werden würde?
In der Folgezeit vergräbt sie sich ganz in ihre Arbeit. Dann erreicht eine anonyme Mail das römische Polizeiministerium. Während einer öffentlichen Veranstaltung sollen zwei Menschen den Tod finden – sofern es Claudia nicht verhindern kann. Auch ein Großaufgebot der Carabinieri kann nicht verhindern, dass die beiden Festredner des Abends zu Tode stürzen. Ein Selbstmord des Direktors der Vatikanischen Museen, Drogen oder ein Suizid aus Leidenschaft, alle Theorien verlaufen im Sand, die Polizei tappt im Dunkeln.
Kurz darauf aber stößt man auf weitere Verbrechen. In das Büro eines der beiden Toten wurde eingebrochen, seine Frau gar entführt. Die Täter sind auf der Suche nach einem Manuskript, in dem sich der Verblichene sich mit dem antiken Gott Janus näher beschäftigt hat. Alle Täter tragen einen Ring, den das Portrait Janus’, des doppelköpfigen Gottes, ziert. Was aber hat dies mit Claudia und ihrem ungeborenen Kind zu tun?

Wenn es um Vatikan-Thriller aus deutschen Landen geht, kommt man um Jörg Kastners phantastische Romane nicht herum. Wie kein anderer einheimischer Autor versteht er es, die Faszination, die vom kleinsten Staat der Welt und seinen klerikalen Geheimnissen ausgeht, mit einer spannenden Handlung und einprägsamen Figuren zu verbinden, um seine Fans und Leser an die Seiten zu bannen.

Einmal mehr lässt er alte Götter und ihre Anhänger ihre unheiligen Pläne im Rom unserer Tage spinnen. Es geht um Verbrechen, um Anschläge und Mord. Dies wird geschickt in eine phantastische Handlung eingepasst. Menschen mit übernatürlichen Gaben tauchen auf, verblendete, ja fanatische Anhänger eines vergessenen Gottes mischen mit, nach und nach entwickelt sich das Bild einer großen Verschwörung. Unwillkürlich rätselt der Leser mit, was hinter den Geschehnissen stecken könnte, wie die Puzzlestücke zusammenpassen könnten. All die Hinweise aber lassen die schlussendliche Auflösung nicht erwarten. Kastner gelingt es seinen Plot nicht nur stringent und spannend, sondern auch bis zur letzten Seiten unheimlich fesselnd und überraschend zu gestalten. Wir bangen und zittern mit unserer Protagonistin, bewundern deren Mut und Tatkraft ebenso wie ihre Kombinationsgabe. Dass der Autor sich auf eine relativ überschaubare Anzahl handlungsrelevanter Personen beschränkt führt dazu, dass er diese umso detailreicher ausführt, während er uns durch deren Augen die Handlung miterleben lässt. Dass gerade die Widersacher unserer Protagonisten dabei undeutlich bleiben liegt in der Natur der Sache, andernfalls müsste er seine Rätsel viel zu früh aufdecken.

Sehr gelungen auch die Darstellung des inneren Konflikts der vom christlichen Glauben abgefallenen Claudia und des ehemaligen, weiterhin gläubigen Jesuiten Paul. Hier stoßen Welten aufeinander, werden Fragen, auch in einem hypothetischen Gespräch mit dem Papst, angeschnitten, die durchaus dem Zeitgeist entsprechen. Der Autor lässt deutlich erkennen, dass er der Kirche nicht unkritisch gegenübersteht, dass er die vielen Fragen, die sich um die moralische Autorität gerade der katholischen Kirche mit all ihren vertuschten Skandalen stellen, nicht übersieht. Kirche und Glauben, das sind oftmals zwei paar Stiefel, die Unfehlbarkeit des Pontius mag dabei durchaus hinterfragt werden.

Insgesamt ein Roman, der als Thriller dem Leser spannende und faszinierende Stunden verspricht und der sich vor angloamerikanischen Bestsellern nicht verstecken muss.