Laura Purcell: Moonstone (Buch)

Laura Purcell
Moonstone
(Moonstone, 2024)
Übersetzung: Manfred Sanders
Festa, 2025, Hardcover, 382 Seiten, 19,99 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Camille steht immer im Schatten ihrer älteren Schwester. Als diese anlässlich eines Balls eigentlich einen Antrag von einem hoch angesehenen Galan erhalten soll, geschieht etwas, das nicht sein darf.

Sie trifft in den Lustgärten des Anwesens auf einen jungen Mann, einst ein enger Freund und Kommilitone ihres Bruders, der sie küsst. Dass sie dabei entdeckt wird, führt zu einem gesellschaftlichen Eklat - die Verlobung ist zunächst vom Tisch, und Camille muss so schnell wie möglich aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwinden.

Der Vater bringt sie zu der einst besten Freundin ihrer Mutter. Ihre Patentante, die sie noch nie bewusst gesehen, geschweige denn kennengelernt hat, lebt abgeschieden von der Gesellschaft, fern von Soireen, Tee-Einladungen und Tanzkarten, in der Wildnis.

Einst wurde ihr von ihrem Mann Unrecht zugefügt - ein erblindetes Auge, eine grobe Narbe im Gesicht und Lucy, eine merkwürdige Tochter, legen beredtes Zeugnis davon ab.

Dass sie sich und ihre Tochter versteckt, merkt Camille nur zu bald. Irgendein finsteres Geheimnis umgibt Lucy. Etwas wird im Rübenkeller verborgen, und der Stand des Mondes wird genau beobachtet.

Unerklärliche Anfälle und Verhaltensweisen nähren bei Camille den Verdacht, dass hier etwas Dunkles, Verborgenes, ja Böses verheimlicht werden soll. Gut, dass ihr Galan aus dem Lustgarten plötzlich vor Ort auftaucht - bis…


Der Festa Verlag, eigentlich für seine Horror-Bände bekannt, etabliert sich zunehmend als bibliophiles Verlagshaus.

Laura Purcells erste deutschsprachige Veröffentlichung wies den Weg; der vorliegende Roman, immerhin bereits ihr sechster bei Festa, führt dieses Konzept folgerichtig weiter.

Man nehme einen sowohl stilistisch wie inhaltlich ansprechenden Gruselroman aus der viktorianischen Ära, gestalte die Hardcover-Ausgabe bibliophil und biete das Ergebnis dem Leser an.

Herausgekommen ist auch dieses Mal ein Buch, das das Herz jedes Buchliebhabers höherschlagen lässt: Hardcover-Einband in Lederoptik, wunderbares Vorsatzpapier mit floralem Mondmuster, Lesebändchen, Rundum-Farbschnitt - und ein Inhalt, der die Leserin respektive den Leser an die Seiten bannt. So produziert man Bestseller.

Inhaltlich wartet erneut eine Geschichte auf uns, die den Leser innerlich berührt. Wieder stellt die Autorin zwei junge Frauen ins Zentrum. Ihre Schicksale, die Geheimnisse, die sich nach und nach offenbaren, und die Unterschiede in ihrer jeweiligen Historie fesseln uns an die Seiten.

Hier die gesicherte Existenz, der monetäre Reichtum, der aber auch dazu führt, dass das Leben, das Schicksal, vorgezeichnet zu sein scheint und Camille in ein enges gesellschaftliches Korsett zwingt. Dort die Armut, die Anfälle - dafür aber auch ein in engen Grenzen selbstbestimmtes Dasein. Dieses wiederum wird von der Furcht eingeschränkt, dass die einflussreiche Familie des Vaters sie aufspüren könnte. Dazu kommt der Druck, den Anfällen auch standhalten zu müssen.

Zwei Mädchen also, die aus völlig unterschiedlichen Welten stammen, die einander anfangs kaum verstehen, einander nicht einmal sonderlich sympathisch sind, die aber peu à peu Verständnis füreinander aufbringen und sich kennen und schätzen lernen. Dieser Prozess ist - neben der absehbaren Offenbarung des Geheimnisses - das, was uns als vorantreibt. Ihre Schicksale rühren uns, wir bewundern ihren Mut, haben Mitleid mit ihren Fährnissen.

So ist dies auch mehr ein phantastischer Roman im historischen Gewand mit einem klassischen Motiv als eine wirkliche Grusel-Geschichte.

Erneut also ein Buch, das aus der Masse dessen, was die Verlage uns anbieten, herausragt. Handwerklich wunderbar gestaltet, inhaltlich ergreifend und überzeugend - ein Lese-Erlebnis, das einen erwartet.