Candy Gorlay: Wild Song (Buch)

Candy Gorlay
Wild Song
(Wild Song, 2023)
Übersetzung: Alexandra Rak
Rotfuchs, 2025, Hardcover, 320 Seiten, 19,90 EUR

Rezension von Christel Scheja

Gerade um die Jahrhundertwende herum war es sehr beliebt, in Menschenzoos aber auch bei Weltausstellungen andere Kulturen vorzustellen, wenn auch nicht unbedingt auf respektvolle Art und Weise, sondern eher mit den Augen der westlichen Kolonisatoren deutlich von oben herab. Das bekommen auch die Protagonistin Luki in „Wild Song“ zu spüren.


Die junge Frau wächst in den Bergen der Philippinen auf. Auch wenn die westliche Zivilisation bereits durch Missionsschulen und Aufseher zu ihrem Stamm vorgedrungen ist, so liebt sie doch ihr wildes und freies Leben als Jägerin, obwohl sie eigentlich endlich heiraten und eine Familie gründen soll.

So abenteuerlustig wie sie ist, lässt sie sich auch auf das Angebot eines Amerikaners ein, ihn und andere nach St. Louis zu begleiten, wo die nächste Weltausstellung stattfinden soll. Es ist ja eine schöne Sache, die Kultur ihrer Heimat zu präsentieren; die Wahrheit ist aber um Einiges ernüchternder, wie Luki und die anderen schon auf der Reise zu spüren bekommen.


Candy Gorlay ist auf den Philippinen geboren und aufgewachsen, lebt auch heute noch dort und kennt daher die Geschichte ihres Landes aus einem ganz anderen Blickwinkel als dem westlichen. Sie kehrt deshalb auch bewusst in eine Zeit zurück, in der die Einheimischen so Einiges erdulden mussten.

Kolonialismus und Rassismus geben sich die Hand, als die junge Frau sich aus ihrer vertrauten Heimat wegbewegt, weil sie davon träumt, ein selbstbestimmtes Leben abseits der Regeln ihres Volkes zu führen. Aber sie merkt recht schnell, dass die Wirklichkeit eine andere ist und die ersehnte Freiheit noch weiter weg ist als zu Hause. Denn die Weißen lassen sie und die anderen immer wieder spüren, was sie von den „Wilden“ wirklich halten; da ist das herablassende Verhalten noch das geringste Übel.

Und auch wenn Luki einmal kurz die Freiheit genießen kann und eine Frau trifft, die ebenfalls aus den Konventionen ausgebrochen ist, so ist die Bilanz eher ernüchternd, was die westliche Welt betrifft.

Vor dem Hintergrund der Weltausstellung in St. Louis zeugt die Autorin auf sehr anschauliche Weise, wie sehr Einheimische verschiedener Länder belogen, betrogen und ausgebeutet wurden, wie verbreitet der Rassismus auch im alltäglichen Umgang miteinander war und welche Spuren das in den heimkehrenden Menschen hinterlassen hat.

Nicht mit erhobenem Zeigefinger, aber wohl mit gehöriger Kritik zeigt die Autorin die hässlichen Seiten der westlichen Zivilisation. Zugleich erzählt sie eine spannende und unterhaltsame Geschichte, die wie ein exotisches Abenteuer anmuten darf. Dazu noch mit einer außergewöhnlichen Hauptfigur, die man sich gerade deswegen besser merkt.

„Wild Song“ ist eine interessante und kurzweilige „Own Voice“-Geschichte, die wie ein Abenteuer daherkommt, aber dadurch noch besser vermittelt, wie die westliche Welt sehr oft mit indigenen Völkern umgegangen ist und es vielleicht teilweise heute noch tut.