Somna - Eine Gutenachtgeschichte (Comic)

Becky Cloonan & Tula Lotay
Somna - Eine Gutenachtgeschichte
(Somna. A Bedtime-Story, 2024
Übersetzung Frank Neubauer
Cross Cult, 2025, Hardcover, 168 Seiten, 35,00 EUR

Rezension von Christel Scheja

Auch wenn ihr Anteil in den letzten Jahren zugenommen hat, so sind Comic-Künstlerinnen immer noch seltener, vor allem wenn sie sich mit Werken in männlichen Domänen bewegen und es ihnen in punkto Horror und Action gleichtun. Wie gut sie das können, beweisen Becky Cloonan und Tula Lotay in ihrem Werk „Somna - Eine Gutenachtgeschichte“.


Irgendwo in einem kleinen englischen Dorf um das Jahr 1600. Die Puritaner mit ihrer strengen Moral und der wahnhaften Verfolgung von Hexen halten das Land in Atem. Und Ingrid ist auch noch unglücklich mit einem dieser Jäger verheiratet, fühlt sich an der Seite von Roland dem Stadtvogt gar nicht mehr wohl.

Vor allem nicht, seit sie in der Nacht erschreckend reale Träume hat, die einerseits dunkel und unheimlich daherkommen, dann aber auch wieder sehr sinnlich und romantisch, lockt sie doch ein Schatten mit verführerischer Stimme immer mehr in sein Reich. Wird er es schaffen, ihre Seele in den Abgrund und die ewige Verdammnis zu locken?


So harmlos wie der Titel ist die Geschichte selbst nicht, denn die Künstlerinnen fahren zweigleisig, was man auch an der Darstellungsweise sieht. Denn während die in der wirklichen Welt spielenden Szenen mit klaren Linien und satten Farben daherkommen, wirken die Traum-Sequenzen weichgezeichnet, fließen Figuren und Hintergrund, aber auch die Farben plastisch ineinander.

Die Welt, in der Ingrid lebt, mag zwar auf den ersten Blick sehr friedlich wirken, ist aber von Gewalt, Misstrauen und Argwohn geprägt, denn gerade die Frauen müssen ständig fürchten, durch irgendwelches Fehlverhalten als Hexen angesehen zu werden. Und auch wenn Roland zunächst eher besorgt ist, so ruft er doch irgendwann den Priester und dann nimmt das Verhängnis seinen Lauf.

Auf der anderen Seite bietet die Traumwelt der jungen Frau einen Liebhaber, der nur auf sie fixiert zu sein scheint, der ihr eine Welt ohne Angst und mit viel Liebe bietet und sie auch körperlich anspricht. Wäre es dann nicht viel reizvoller, sich ihm hinzugeben?

Diese Frage wird zum Ende hin beantwortet. Von der Handlung her ist der Comic damit sicherlich vorhersehbar, die Künstlerinnen sehen aber eher im Weg das Ziel und erzählen die Geschichte auch mit vielen kleinen Details und aus einer ausgesprochen weiblichen Sicht, die dem Ganzen eine sehr stimmige Atmosphäre geben.

Der Horror bleibt deshalb meistens subtil, schlägt nur gelegentlich mit deutlicher Darstellung zubuche. Die düster-romantische Seite bekommt mehr Raum, denn der dunkle Liebhaber, der nie sein Gesicht zeigt und immer Schatten bleibt, scheint die Erfüllung der Träume zu sein, die die reale Welt nicht erfüllen kann. Etwas, was vor allem zwischen den Zeilen zu lesen ist.

„Somna - Eine Gutenachtgeschichte“ erinnert an die düsteren gotischen Folk-Horror-Storys wie „Midsomar“ und „The Witch“. Die Künstlerinnen heben dabei aber auf ansprechend sinnliche Weise die weibliche Seite der düsteren Verführung hervor, was das Geschehen aus der Masse ähnlicher Geschichten heraushebt.