Janice Hallett: Die Engel von Alperton (Buch)

Janice Hallett
Die Engel von Alperton
(The Mysterious Case of the Alperton Angels, 2023)
Übersetzung: Stefanie Kremer
Atrium, 2025, Hardcover, 544 Seiten, 24,00 EUR

Rezension von Christel Scheja

Janice Hallett weiß, über was sie schreibt, hat sie doch über viele Jahre selbst als Journalistin gearbeitet und auch politische Reden geschrieben. Heute ist sie eher in der Belletristik und als Theater-Schriftstellerin unterwegs. Mit „Die Engel von Alperton“ bringt der Atrium Verlag eines ihrer Werke auf Deutsch heraus, das in England sehr viel Anklang fand.


Auf der Suche nach neuem Stoff, über den sie schreiben kann, stößt die True-Crime-Autorin Amanda Bailey auf den Fall der Engel von Alperton. Damals brachten sich Sektenmitglieder kollektiv um, nur ein Baby und zwei Teenager überlebten. Der Anführer des Kultes wurde später für den Mord an einem indischstämmigen Mann zu lebenslanger Haft verurteilt.

Der Fall scheint übersichtlich und klar - hier sollte durch ein paar Fanatiker, die sich für Engel hielten, offensichtlich ein Kind geopfert werden, um das Kommen des Antichristen abzuwenden. Doch bei ihren Recherchen trifft die Autorin schon bald auf Widersprüche und Geheimnisse, die alles in einem anderen Licht erscheinen lassen und sie selbst massiv in Gefahr bringen.


Die Geschichte erscheint auf den ersten Blick sehr gewöhnlich und wie von der Stange, aber die Art und Weise, in der die Autorin die Suche nach der Wahrheit präsentiert, gibt dem Ganzen einen besonderen Kick. Denn man darf das Abenteuer nicht als Erzählung aus der Sicht von Amanda Bailey erleben, sondern als eine Zusammenstellung von Sprachnachrichten und Chats, Mails an verschiedene Behörden und Betroffene, Notizen der Autorin, bereits vorhandenen Quellen, die ihr zugetragen werden, wie frei erfundene Romane und unveröffentlichte Theaterstücke. Und nicht zuletzt ergänzen Transkripte von Audio-Aufnahmen, teilweise von informellen Gesprächen bis hin zu Interviews mit konkreten Fragen, das Bild.

Das ist für den Leser schon eine ziemliche Herausforderung, denn dieser Aufbau bringt es mit sich, dass keine klare Struktur zu erkennen ist, dass trotz Kürzungen durchaus auch privates Geplänkel mit einfließen darf. Und das gibt stellenweise auch die Beziehung der Hauptfigur zu einigen ihrer Mitstreiter und Rivalen preis.

Alles in allem entsteht nach und nach ein interessantes Bild, das die Spannung aufrechterhält. Und wie der Untertitel des Buches schon verrät - der Teufel steckt tatsächlich in den Details, die man sehr leicht überlesen kann. Am Ende führt die Autorin aber alle Fäden sauber zusammen und die Entwicklungen im Hintergrund zu einem bitterbösen Finale.

Wenn man sich auf die ungewöhnliche Erzählweise einlassen oder wenigstes dran gewöhnen kann, so erwartet einen als Leser eine Geschichte, die es in sich hat - vielleicht nicht von der Handlung her, aber von den Hintergründen. Denn das Buch zeigt eines: Bei den Recherchen gibt es immer wieder Rückschläge, Steine werden rechtlich in den Weg gelegt, Zeugen widersprechen sich oder blockieren in bestimmten Bereichen. Und das ist mindestens so spannend wie die eigentliche Aufklärung des Falls.

„Die Engel von Alperton“ ist deshalb ein True-Crime-Thriller, der vor allem formal völlig aus dem Rahmen fällt und die Geschichte, die anfangs gewöhnlich erscheint zu einem Erlebnis macht - wenn man sich auf die Erzählweise einlassen kann und möchte.