Bradley Harper: Miss Harkness und das Damengambit (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Dienstag, 13. Mai 2025 07:55

Bradley Harper
Miss Harkness und das Damengambit
(Queen's Gambit, 2019)
Übersetzung: Dorothee Schröder
Titelbild: Miriam Steinhart
Dryas, 2025, Paperback, 354 Seiten, 18,00 EUR
Rezension von Carsten Kuhr
Neun Jahre sind vergangen, seitdem die drei Musketiere - der schottische Professor Bell, Doktor Doyle und Margaret Harkness - in London dem Serienkiller Jack the Ripper nachstellten und letztlich dafür sorgten, dass der Mörder nicht länger die Straßen von Soho unsicher macht.
Mittlerweile ist unsere Journalistin ein wenig gealtert und, wie viele, die ein gewisses Alter erreichen, zwickt es hier und da. Ein Leiden wird diagnostiziert, dessen Linderung eine wärmere Gegend als London voraussetzt. Woher aber das Geld für eine Überfahrt nach Down Under nur besorgen?
Die Unsitte, Verbrecher nach Australien abzuschieben, wurde eingestellt - sich also verhaften und deportieren zu lassen, kommt für unsere wackere Suffragette und Autorin skandalöser Romane daher nicht in Betracht. Umso willkommener ist da eine Offerte aus dem deutschen Kaiserreich. Der Geheimdienst Seiner Majestät wähnt einen Verräter in seinen Reihen - und engagiert kurzerhand das Vorbild für Sherlock Holmes sowie dessen Helferin, um dem Anarchisten auf die Spur zu kommen.
Kaum in Berlin eingetroffen, können Professor Bell und Harkness das Rätsel auch schnell lösen - die Belohnung wird ausbezahlt, Fall abgeschlossen. Nur wäre da noch die Tatsache, dass noch rund vier Fünftel des Buches übrig sind! Die Anarchisten planen einen Anschlag auf das Herz des Empires - und nur unsere Detektivin kann das Verbrechen verhindern. Doch dann wird sie selbst zur Zielscheibe… das Geschoss eines revolutionären Luftgewehrs soll ihr Dasein beenden.
Der Auftakt des zweiten Abenteuers um Professor Bell und Margaret Harkness startet vielversprechend.
Ungewohnt zunächst, dass der Roman dieses Mal aus Sicht der Suffragette erzählt wird. Noch sensationeller, dass es auf den Kontinent, genauer gesagt ins Kaiserreich, geht. Die Ausgangslage ist klar und schnell porträtiert - es geht um Anarchisten, die den russischen Zaren mittels Bombe ermordet haben. Einer aus der Gruppe flieht nach Berlin, verliebt sich, gründet eine Familie und will eigentlich aussteigen. Dumm, dass seine früheren Mitwisser ihn bestens gebrauchen können. Und es kommt, wie es vorhersehbar ist: Das Ausspionieren des deutschen Geheimdienstes wird mithilfe britischer Unterstützung aufgedeckt, der Täter verfolgt.
Dass sich die Terroristen nicht scheuen, zur Erreichung ihrer Ziele auch ihre eigenen Leute zu erpressen, zu belügen und in den Tod zu schicken, sorgt für weitere Dramatik. Wenn, ja wenn dies alles nicht ganz so vorhersehbar wäre - der Roman hätte mich gepackt. Nur war Vieles, insbesondere im ersten guten Drittel des Werks, nicht wirklich überraschend; bei mir kam dieses Mal zumindest nicht die Faszination und der Lesefluss des Auftaktbandes auf.
Dabei gibt es wirklich interessante und neue Anknüpfungspunkte. Die anfängliche Einbeziehung des Kaiserreichs, die Anarchisten - das sind Aufhänger, die für Dramatik und Faszination bürgen. Doch dann nutzt der Autor die „Tränendrüse“ für meinen Geschmack ein wenig zu sehr, um die Motivation des Attentäters zu verdeutlichen.
Später wird es dann besser, wobei der Plot im Vergleich zur Jagd nach dem Ripper nicht ganz mithalten kann.
Dem Band beigefügt hat der Verlag dankenswerterweise noch die Kurzgeschichte „Miss Harkness’ letzter Fall“, mit der die kleine Reihe eigentlich abgeschlossen werden sollte. Das Adjektiv weist bereits darauf hin, dass es beim Plan blieb. Dieser Tage erscheint in den USA mit „The Exchange Principle“ ein weiterer, neuer Roman um unsere toughe viktorianische Journalistin.