Westwind 1: Der Tod der großen Wälder, Dietmar Kuegler (Buch)

Westwind 1
Der Tod der großen Wälder
Dietmar Kuegler
Titelbild und Innengrafik: Rudolf Sieber-Lonati
Blitz, 2017, Taschenbuch, 162 Seiten, 12,95 EUR

Rezension von Irene Salzmann

Im Nachwort erfährt man von Dietmar Kuegler (1951-2022) einige interessante Details über seine „Westwind“-Serie, die durch umfassendes historisches Hintergrundwissen - die korrekte Darstellung der amerikanischen Geschichte, insbesondere von Themen, die von den meisten Romanen und Filmen nicht abgedeckt werden, sind ihm ein besonderes Anliegen - und überzeugende Charaktere besticht. Das Internet wartet mit weiteren Informationen zum Autor und einer Bibliografie auf, die neben Western- und Abenteuer-Romanen auch verschiedene Sachbücher berücksichtigt und auf Publikationen in Magazinen verweist.

 

Nordamerika im frühen 19. Jahrhundert: In dem verlassenen Nest Lewisville schließt der Trapper Abe McNott einen Handel mit John Ackermann ab, der seine Vision einer blühenden Stadt an der im Bau befindlichen Eisenbahnlinie verwirklichen möchte. Durch den Handel mit Biberfellen glaubt er, die dazu notwendigen finanziellen Mittel zu erlangen. Er verspricht den Trappern und Indianern, wenn sie ihn beliefern, bessere Preise als die Amerikanische Pelzkompanie, die das Monopol hält.

Da McNott Ackermann für einen ehrlichen Mann hält und die Ausbeutung der Trapper beenden möchte, nutzt er seinen guten Ruf, um die Kameraden und befreundeten Indianer zu überzeugen, die Felle künftig nach Lewisville zu bringen. Prompt ergreift die Pelzkompanie Gegenmaßnahmen, die darin gipfeln, dass man Ackermanns wachsende Stadt zu zerstören versucht und McNott Mörder auf den Hals hetzt.

Nur knapp überlebt der Trapper eine üble Schusswunde. Als er nach Lewisville zurückkehrt, hat sich viel geändert und er alles verloren, was ihm wichtig war.


Die Erzählung lehnt sich mehr an J. F. Coopers „Lederstrumpf“-Romane an, die von ca. 1740 bis 1804 spielen, als an die populären Kino-Filme, welche die Besiedelung Amerikas und vor allem des „Wilden Westens“ in Verbindung mit einer gewissen Cowboy-Romantik schildern.

Der Autor sagt selbst, dass er Lücken in der Darstellung der amerikanischen Geschichte schließen möchte, zu der beispielsweise das Leben der Trapper, ihre Beziehung zu den Indianer-Stämmen und der Raubbau an der Natur durch Handel und Industrie zählen (die Ausrottung der Biber, das Abholzen der Wälder und so weiter).

Infolgedessen sind seine Protagonisten auch nicht die überwiegend jungen, schlanken, glattrasierten und in Designer-Jeans paradierenden Hollywood-Helden à la Gary Cooper, Robert Taylor und Audie Murphy, die ein relativ gutes, sauberes und ehrenhaftes Leben auf Anwesen wie der Shiloh-Ranch, der Ponderosa oder High Chaparral führen, und sie sind auch weit entfernt von den „schmutzigeren“ Darstellern in den Italo-Western, darunter Terence Hill, Clint Eastwood und Lee van Cleef.

McNott ist ein Mann in den besten Jahren, nicht schön, aber für das Leben in der Wildnis wie gemacht und durch seine Erfahrungen gereift. Anders als die meisten Menschen, die Amerika besiedeln, respektiert er das Wissen und die Lebensweise der Indianer, lernt, sich mit ihnen zu verständigen und ihre Freundschaft zu erlangen. Ihm gefällt diese Welt ebenso wie den meisten seiner Kameraden. Zunehmend wird ihm klar, wie wichtig es ist, sie zu erhalten und vor der Ausbeutung durch jene zu bewahren, die mit ihm kamen und nach ihm noch kommen werden, doch gibt er sich nicht der Illusion hin, die Veränderungen aufhalten zu können.

In diesem Kontext bringt der Autor unterschwellig den Umweltgedanken der letzten Jahrzehnte ins Spiel. Damals wie heute treffen Interessenkonflikte aufeinander und rangieren kommerzielle Belange vor dem Natur- und Tierschutz, obschon die negativen Auswirkungen bekannt sind (Brandrodung der Regenwälder und Anpflanzung von Monokulturen: Bodenerosion und Artensterben; Vernichtung von Wäldern und Parks zugunsten von prestigeträchtigen Bauvorhaben: Smog und Erwärmung in den Städten; Versiegelung natürlicher Wasser speichernder Flächen: Überschwemmungen und Veränderungen des Mikroklimas, etc.).

Auch wenn man all der Mahnungen überdrüssig ist, die in der Realität selten zu mehr als Aktionismus an der falschen Stelle führen, darf man sich gewiss sein, dass Dietmar Kuegler nicht den moralischen Zeigefinger hebt und bewusst beim Abenteuer bleibt. Infolgedessen liefert er einen äußerst unterhaltsamen Band ab, der realistisch, spannend und informativ ist.

Ein Western der Extra-Klasse!