Gesa Schwartz: Das Erbe des Lichts – Grim 2 (Buch)

Gesa Schwartz
Das Erbe des Lichts
Grim 2
Titelillustration von Max Meinzold
Lyx, 2011, Hardcover, 718 Seiten, 19,99 EUR, ISBN 978-3-8025-8304-9

Von Carsten Kuhr

Paris wird von einer Reihe von bestialischen Morden heimgesucht. Die Leichen, alles Menschen, findet man ohne einen Tropfen Blut im Körper und mit herausgerissenen Augäpfeln überall im Stadtgebiet auf. Selbst dem ignorantesten Menschen werden derartige Gewaltopfer spanisch vorkommen. Die Zeit wird knapp, den oder die Täter zu finden, auch wenn die Schattenflügler, angeführt von dem Gargoyle Grim, ihr Möglichstes geben.

Doch immer wieder stoßen auch sie auf selbst für die Anderwelter unerklärliche Reste einer fremden, überlegenen Magie. Wie sollen sie die Geschehnisse vertuschen, den Zauber des Vergessens aufrechterhalten? Und wer nur steckt hinter den Verbrechen, und was soll damit bezweckt werden? Während die Stadt an der Seine im Schnee versinkt, greifen die Unbekannten auch Mia, die einzige lebenden Hartidin und Geliebte Grims, an. Die Spuren der Täter führen in die tiefste Vergangenheit der Anderwelt, zurück zu einer Zeit, da das Volk der Alben noch ungeteilt war und die Feen die Welt regierten.

Nach deren Verbannung scheint die Zeit für eine Rückkehr gekommen zu sein, doch die Schattenalben können nur gerufen werden. Es muss also ein Anderweltler oder Mensch in die Verbrechen verwickelt sein. Die Spuren führen zu Mias Bruder Jakob, dessen Sarg leer ist. Und sie führen zur Schneekönigin, der Fee, die den Menschen mit unversöhnlichem Hass gegenübersteht. Deren Feenkriegern könnte nur eine Legende noch Einhalt gebieten – ein Mythos aus den Annalen der Feen, eine Legende, ein Held und Krieger, der die grauen Nebel der Vorzeit durchstreifte und sein Blut durch die Zeiten schickte, um Schatten und Dunkelheit zu vernichten – der Krieger des Lichts…

Totensänger, Alben und Zwerge, Elfen und Hexen, Steintrolle und Höhlengnome – Gesa Schwartz bedient sich in ihrem zweiten Roman weidlich an der internationalen Sagen- und Märchenwelt. Nachdem sie im Vorjahr mit ihrem vom Verlag mit einer hochwertigen Hardcoverausgabe geadelten Debütroman, „Grim – Das Siegel des Feuers“, förmlich aus dem Nichts die Bestsellerlisten eroberte, wartete ich gespannt auf die Fortsetzung. Würde es der sympathischen Autorin aus der Hansestadt Hamburg gelingen, an die scheinbar mühelose Art und Weise, wie sie ihre etwas andere Urban-Fantasy-Saga aufzog, anzuknüpfen? Würde sie frische Ideen für die Fortsetzung präsentieren, oder würde ein lauer Aufguss des ersten Bandes auf den Leser warten? Das waren die Fragen, die mich umtrieben, als ich mit der Lektüre begann.

Neben der erneut mustergültigen äußeren Gestaltung des Buches fällt zunächst auf, dass wieder jede Menge Lesestoff auf den Rezipienten wartet. Über siebenhundert Seiten warten darauf, verschlungen zu werden, wobei sich die Lektüre angesichts des angenehm zu lesenden Stils der Autorin flüssig und mühelos gestaltet.

Nach dem fulminanten Auftakt mit den zunächst rätselhaften Morden geht es schon bald tief hinein in die Märchen- und Sagenwelt. Anleihen an die Überlieferungen Irlands wie Deutschlands bürgen für willkommenes Wiedersehen mit altbekannten Gestalten und Wesen in neuem Kontext. Dabei reichert Schwartz die Wesen mit Eigenheiten und Wesenszügen an, setzt diese zueinander in einen faszinierend neuen Kontext und fügt diese damit stimmig in ihre eigene Handlung ein. Geschickt hinterfüttert sie ihre Antagonisten, allen voran die Schneekönigin, mit einer glaubwürdigen Motivation, baut ihr Beziehungsgeflecht weiter aus.

Stand der erste Roman ganz im Zeichen der großen Metropolen – Paris und Rom, Prag wurde auch angesprochen – so sucht man den besonderen Flair der alten Metropolen vorliegend vergebens. Stattdessen geht es nach Irland. Zwar spielt Dublin, die irische Hauptstadt, eine gewisse Rolle, doch die Darstellung bleibt rudimentär. Stattdessen nehmen überlieferte Gegenden aus den fast vergessenen Sagen den Platz der Städte ein. Sei es der Rosengarten des Zwergenkönigs oder das Schlachtfeld, auf dem Morgana geschlagen wurde, die hohe Feste der Feen oder die Katakomben unter der grünen Insel – statt urbaner Gemäuer warten eindrucksvolle Landschaften auf den Leser.

Die Handlung selbst birgt jede Menge unerwarteter Wendungen, es geht verklausuliert um Verlust und Verantwortung, aber auch um die Kraft der Liebe. Natürlich könnte man nun zu Recht anmerken, dass das Buch deutlich zu lang ausgefallen ist, dass eine Kürzung im Mittelteil dem Text gutgetan hätte. Dennoch erweisen sich scheinbar überflüssige Informationen und Erzählungen im Finale plötzlich als stimmige und wichtige Ereignisse, ohne die das Finale in sich nicht logisch wäre.

Insofern ist zu konstatieren, dass Gesa Schwartz ihre Fans nicht enttäuscht, auf anderen Wegen als im ersten Teil zu unterhalten weiß und den Leser mit viel Verve an die Seiten bannt.