HAL (Comic)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Samstag, 02. April 2011 10:21

Aoi Makino
HAL
Aus dem Japanischen von Maria Römer
Tokyopop, 2011, Taschenbuch, 176 Seiten, 6,50 EUR, ISBN 978-3-8420-0178-7
Von Irene Salzmann
Aoi Makino publizierte seit 2008 vier Oneshots, ausnahmslos Shojo-Mangas. Der auffälligste und anspruchsvollste Titel dürfte ihre jüngste Geschichtensammlung „HAL“ sein, mit der sie erstmals ins Genre Mystery/Horror wechselt. Insbesondere die Titelstory weist vom Thema und den Illustrationen her eine deutliche Ähnlichkeit zu „Death Note“ auf, dem großen Erfolg des Duos Tsugumi Ohba und Takeshi Obata.
„HAL“stellt sich der Schülerin Shizuku Miyazaki als Todesgott vor und bietet ihr an, drei Personen ihrer Wahl auszulöschen. Nach anfänglichem Unglauben – HAL beweist sich an einer Kakerlake – und Ablehnung lässt sich das Mädchen schließlich darauf ein, da sie es nicht länger erträgt, von einer Klassenkameradin als beste und beliebteste Schülerin auf Platz 2 verdrängt worden zu sein und sogar von der Mutter deswegen kritisiert zu werden. Tatsächlich verschwindet Yuki Abe, und keiner außer Shizuru erinnert sich an sie. Allerdings sind ihre Probleme dadurch keineswegs gelöst, denn in der Rangliste sackt sie weiter nach unten, und HAL erklärt, dass er nicht Hunderte von Menschen auslöschen könne und ihr nur noch ein Wunsch bliebe. Einige Geschehnisse lassen Shizuru nachdenklich werden, und so trifft sie eine Entscheidung, die den Todesgott überrascht...
„The Rainbow of Seven Years After“ erzählt von Konoha Yamauchi, die nicht vergessen kann, dass sie als Grundschülerin einen Jungen grundlos mobbte. Seither hasst sie jeden, der andere quält, sich selbst eingeschlossen. Jahre später begegnet sie Miyuki Kiriyama wieder. Kann er ihr vergeben und sie sich selber auch?
„Leb wohl, Engel!“ ist die Geschichte von Mona Amane, einer einst beliebten Schülerin, die den Neid anderer auf sich zog und seither übel verleumdet wird. Keiner will mehr etwas mit ihr zu tun haben, um nicht selbst zum Mobbing-Opfer zu werden. Chihaya Yamashita, der an Ehrlichkeit und Fairness glaubt, hilft ihr aus dieser Hölle heraus – und wird nun selbst zur Zielscheibe der Gemeinheiten.
„Blaue Flügel“ müsste man haben – und fliegen können. Sie stehen für einen Traum, den Honoka nicht länger hat, der jedoch Akira half, über sich hinauszuwachsen. Während das Mädchen nur die Nachteile für den Kinderstar sieht, möchte er für sich die schönen Dinge festhalten.
Allen Storys ist gemein, dass sie um Schüler kreisen, die sich mit alltäglichen Problemen auseinandersetzen müssen: mit übertriebenem Ehrgeiz und der Angst, nicht geliebt zu werden, wenn man den hohen Erwartungen nicht gerecht werden kann, sowie dem Neid, der zu Mobbing führt und in persönlichen Tragödien gipfelt. Die Hauptfiguren leiden still, weil sie ausgegrenzt werden, oder haben einen Fehler begangen und empfinden Reue. Ihnen wird ein Ausweg geboten, der jedoch nicht unbedingt die Lösung ihrer Probleme bedeutet. Tatsächlich ist es eher ein Irrweg, und erst wenn sie die Schuld bei sich suchen und durch eine selbstlose Entscheidung etwas verändern, finden sie einen Weg aus der Spirale der Depression. Damit soll jenen Mut zugesprochen werden, die sich in der einen oder anderen Figur – zumeist der des Mobbing-Opfers – wiedererkennen. Aoi Makino beschäftigt sich mit der Frage, warum überhaupt jemand einen anderen mobbt und warum dieser auch dann keine Hilfe erhält, wenn das Problem offensichtlich ist. Sie nimmt deutlich Stellung zu dem Thema, und man hat das Gefühl, als wisse sie genau, wovon sie erzählt, als wäre sie selber eine Betroffene. Obwohl es letztlich darum geht, den Leser zu unterhalten, sind die Geschichten eindringlich erzählt, sie wirken meinungsbildend und werden gewiss nicht so schnell in Vergessenheit geraten.
Die Illustrationen sind klar, aufwändig und ‚typisch shojo‘, d. h., die Protagonisten haben niedliche Gesichter, große, glänzende Augen, üppiges Haar und tragen verspielte Kleidung. Aoi Makinos Stil lässt sich vergleichen mit dem von zum Beispiel Wataru Yoshizumi („Chitose etc.“), Natsumi Ando („Arisa“) oder Yoko Maki („Between the Worlds“).
„HAL“ wendet sich in erster Linie an Leserinnen ab 13 Jahre, die ansprechende Zeichnungen und unbequeme, kritische Inhalte schätzen, dabei eine dicke Portion Mystery gern mitnehmen. Der Titel ist aufgrund des Themas und seiner Aufbereitung auch für ein männliches Publikum interessant. Kennt man „Death Note“, sollte man vor allem der Titelstory Aufmerksamkeit schenken, denn die Hommage ist eindeutig.