Bram Stoker: Das Geheimnis der See (Buch)

Bram Stoker
Das Geheimnis der See
(The Mystery of the Sea, 1902)
Übersetzung: Alexander Pechmann
Mare, 2024, Hardcover, 544 Seiten, 48,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Hört man den Namen Bram Stoker, kommt einem unweigerlich und sofort „Dracula“ in den Sinn. Stoker hat mit diesem Roman ein eigenes Sub-Genre geschaffen, das durch die mannigfaltigen Verfilmungen und Erzählungen um die blutsaugenden Geschöpfe der Nacht über die Jahrzehnte immer mehr an Popularität gewonnen hat.

Kaum bekannt ist aber Stokers sonstiges Oeuvre. Dabei ist dieses durchaus umfangreich zu nennen und umfasst Geschichten aller Couleur.

Für den Freund der Phantastik hatte die von Michael Görden editierte Reihe „Phantastische Literatur“ bei Bastei-Lübbe bereits zwei Bücher mit phantastischen Geschichten Stokers bereitgehalten. Unter dem Titel „Das Schloss der Schlange“ sowie „Das Geheimnis des schwimmenden Sarges“ konnte der Interessierte hier weitere Perlen Stoker‘scher Erzählkunst der kürzeren Art goutieren.

Nun legt Mare einen Roman in deutscher Erstausgabe vor. Ein umfangreiches Werk, das eine Vielzahl von Themen bereithält, seine Leser in seinen Bann zu ziehen.


Erzählt wird die Geschichte des Engländers Archibald Hunter. Der zunächst in Aberdeen in Schottland Lebende studierte Rechtswissenschaften, erfreut sich eines kleinen Vermögens, so dass er finanziell unabhängig agieren kann. Auf seinen Reisen kommt er in das Küstenstädtchen Cruden Bay, verliebt sich in die raue Landschaft und beschließt sich dort ein kleines Domizil bauen zu lassen.

Wichtiger aber ist, dass er dort die Bekanntschaft der Seherin Gormala macht, einer hageren Alten, die ihm eröffnet, dass auch er das Zweite Gesicht besitzen würde. Und wirklich sieht er den Tod eines Kindes wie auch den eines Fischers voraus. Darüberhinaus erfährt er auch so Einiges über sich, die Vergangenheit der Gegend und das Leben.

Später macht er dann die Bekanntschaft mit einer vermögenden amerikanischen Erbin, mit der zusammen er sich an die Entschlüsselung eines geheimen Codes und auf eine veritable Schatzsuche begibt. Dass er sich in die junge, erstaunlich selbstbewusst auftretende Dame verliebt, sei erwähnt…


Was ist das für ein Buch, das uns Mare hier vorlegt? Beginnen wir mit dem Äußeren: Das Werk ist auf bestem Papier gedruckt, fadengeheftet, mit Lesebändchen versehen und in geprägtes Leinen verpackt. Zum Schutz des Bandes spendiert uns der Verlag dann noch einen passenden Schuber - die Herzen von Bücherliebhabern schlagen schon jetzt höher!

Dazu gesellt sich, dass der Verlag die Übertragung aus dem Englischen in die bewährten und kundigen Hände Alexander Pechmanns gelegt hat. Der Text liest sich in der vorliegenden Übersetzung wunderbar unauffällig rund, stilistisch meisterhaft und bringt uns auch die Nuancen des Verfassers zur Umgebung, den Figuren und der Handlung so näher.

Inhaltlich wartet eine wahre Tour de Force auf uns. Der Beginn, als unser Protagonist das erste Mal seine seherischen Fähigkeiten erleben muss, Hinweise auf den bevorstehenden Tod Unschuldiger bekommt, die ihm naturgemäß verstören, ja Angst machen, beruht auf einer Kurzgeschichte, die Stoker dann - umgearbeitet als Einstieg in seine Erzählung - nutzt.

Im Verlauf der Handlung beschäftigt sich unser Erzähler mit dem englisch-spanischen Krieg, der Auseinandersetzung zwischen Spanien und Amerika und der sich ändernden Rolle der Frau in der Gesellschaft. Das Konglomerat liest sich wie eine Mischung aus Thriller, Schatzsuche und Geister-Roman, angereichert mit einer zärtlich aufbrühenden Liebesgeschichte.

Der Herausgeber hat dem Band neben einem kundigen, den Roman einordnenden Nachwort auch den angesprochenen Geheimcode, respektive dessen Geheimnis mitgegeben, die ungewöhnlichsten Begriffe und Zitate werden in nachgestellten Anmerkungen näher erläutert.

So ist dies ein Buch, das sicherlich einen vergleichsweise recht hohen Obolus von seinem Käufer fordert, dafür aber überragende handwerkliche wie publizistische Qualität biet