Ben Aaronovitch: Eine Nachtigall in New York (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Dienstag, 10. September 2024 08:46
Ben Aaronovitch
Eine Nachtigall in New York
Eine Thomas-Nightingale-Story
(Masquerades of Spring, 2024)
Übersetzung: Christine Blum
dtv, 2024, Taschenbuch, 208 Seiten, 12,00 EUR
Rezension von Carsten Kuhr
Die Zwanziger Jahre - eine Ära, wie es sie davor und danach nie wieder gab. Man hatte die Schrecken des Ersten Weltkrieges überstanden, wollte nun das Leben in vollen Zügen genießen. Dies gilt auch, ja in besonderem Maße, für diejenigen, die mehr von der Welt wissen, ihre Schattenseiten kennen und die Magie beherrschen.
Augustus Berrycloth-Young hat die harte Schule des Folly mehr oder minder erfolgreich hinter sich gebracht. Zwar fiel er weder durch besonderen Fleiß noch durch ein überbrodelndes Talent auf, dafür unterhielten seine magischen Streiche die Kommilitonen. Dass er eher dem eigenen Geschlecht zugeneigt ist, wusste er dabei gut zu verbergen.
Nach Abschluss des Casterbrooks Internats zog es ihn nicht etwa in den Dienst von König und Vaterland, nein, er emigrierte in die Neue Welt. Hier, in New York, der Stadt, die niemals schläft, frönt er seine Passion für den Jazz, hat seine große, wahre Liebe in einem schwarzen Musik-Kritiker gefunden und erfreut sich seines Lebens.
All das scheint, unerwartet und höchst unerwünscht, plötzlich vorbei zu sein, als sein alter Kommilitone Thomas Nightingale, der Überflieger des Folly, an seiner Tür klingelt.
Nightingale ist auf der Suche nach einer Fee - genauer gesagt, einer gefangengehaltenen Fee, die mittels magisch veränderten Instrumenten um Hilfe ruft.
Zusammen machen sie sich auf, das Rätsel um sprechende Saxophone zu lösen - und stoßen dabei nicht nur auf Korruption, Flüsterkneipen, Moonshine und verbrecherische Gesetzeshüter - sie treffen auch auf Freundschaft, Opferbereitschaft und wahre Liebe,
Ben Aaronovitchs streut in seine Peter-Grant-Abenteuer immer wieder einmal Novellen um andere Figuren aus der Reihe ein. Dabei durften wir auch schon einmal mit dem BKA in Deutschland auf Tuchfühlung gehen, dem FBI folgen oder den Füchsen von London nachhetzen. Dieses Mal gehen wir in die Vergangenheit - zu einer Zeit, in der der jetzige Leiter des Follys noch jung und voller Ambitionen war, ja regelrecht spontan agierte. Wenn das Grant wüsste, müsste sich sein so steifer Mentor sicherlich so Einiges anhören!
Aaronovitch hat schon immer ein Faible für Jazz offenbart. In den Romanen wird immer wieder auf klassische Interpreten des Genres und deren Werke Bezug genommen, man merkt einfach, dass dies etwas ist, das dem Verfasser am Herzen liegt. So ist es wenig verwunderlich, dass er den Handlungsort - den Big Apple zu Beginn der 20er Jahre - auch dafür nutzt, uns von den talentierten Größen des Jazz zu berichten. Mit einfließen lässt er dabei auch den alltäglichen Rassismus, der in einer recht strengen Rassentrennung mündet. Es gibt nicht nur Bars for White People Only, ihr Widerpart, Flüsterkneipen, die ausschließlich für Farbige offenstehen, sind ebenso an der Tagesordnung. Und die Ausgrenzung gleichgeschlechtlicher Beziehungen, Drag-Queens und deren Verfolgung - gerade auch durch die Ordnungskräfte -, stehen auch mit auf der Tagesordnung.
Darüberhinaus greift der Autor auf bekannte Versatzstücke zurück. Das organisierte Verbrechen, die korrupten Politiker und Polizisten, der überall anzutreffende Rassismus bilden das Grundgerüst, auf dem Aaronovitch dann seine Rettungsmission aufsetzt. Zunächst geht es aber erst einmal darum, überhaupt festzustellen, was hinter den verzauberten Instrumenten steckt, dann die Hilfsbedürftigen zu finden und letztlich deren Rettung in die Wege zu leiten.
Inkludiert hat der Verfasser dabei eine gehörige Portion Ironie und Humor, insbesondere unser Erzähler - nämlich nicht Nightingale, sondern dessen Enfant terrible und Ex-Kommilitone Augustus - lockert mit seinen Sprüchen und Aktionen den an Noir-Krimis (Dashiell Hammett) erinnernden Plot auf.
Letztendlich ist „Eine Nachtigall in New York“ ein sehr lustiges, spannend und rasant zu lesendes Abenteuer aus der Welt der Nightingale‘schen Magie, das durchaus ernste Themen auf sehr unterhaltsame Art und Weise inkludiert und bestens unterhält.