Leo am Bruhl: Die geheimnisvolle Mumie (Buch)

Leo am Bruhl
Die geheimnisvolle Mumie
Dunkelgestirn, 2024, Hardcover, 414 Seiten, 40,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Vorhang auf zum zweiten Teil der gesammelten, phantastischen Erzählungen Leo am Bruhls. Wie uns Herausgeber Lars Dangel in seinem ebenso informativen wie interessanten Vorwort berichtet, hat am Bruhl Zeit seines Lebens nie ein Buch publiziert. Statt den Weg der Veröffentlichung über die großen Buchverlage zu gehen, hat er seine zumeist recht kurz gehaltenen Geschichten ausschließlich in Zeitungen publiziert.

Erstaunlich dabei, dass es ihm über einen recht langen Zeitraum hinweg gelungen ist, immer wieder auch ältere Storys bei diversen Zeitungen unterzubringen. Mir unbekannt war die Tatsache, dass die Zeitungshäuser in der damaligen Zeit teilweise mehrfach am selben Tag unterschiedliche Zeitungen veröffentlichten. Natürlich wird nicht jeder Konsument immer auch die in seinem Tagesblatt enthaltenen Geschichten goutiert haben, dennoch dürfte die Reichweite am Bruhls wohl in die Hunderttausende an Lesern gegangen sein.

Dass über den Verfasser selbst kaum etwas bekannt war und ist, hat Lars Dangel keine Ruhe gelassen. In mühsamer Sisyphusarbeit hat er seit 2018 nicht nur die wenigen katalogisierten und digitalisierten Tageszeitungen auf Beiträge am Bruhls gesichtet, sondern versucht, sich dem unbekannten Autor anzunähern und Informationen zu dessen Leben zu finden. Die Crux bei der selbstgewählten Aufgabe war, dass Tageszeitungen, anders als Bücher, nirgends zentral gesammelt und archiviert wurden, dass Vieles hier, dem Krieg geschuldet, verlorenging und nicht länger greifbar war und ist. Dennoch fand er bis Stand Januar 2024 sage und schreibe 176 Texte, die später, nach 1933, aus dem Schwedischen übersetzt vorgelegt wurden. Dangel stieß auf Hinweise, dass am Bruhl als Jude wohl rechtzeitig vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten Deutschland vermutlich in Richtung Schweden verließ, seine Geschichten dann in der Folgezeit, vordergründig als vermeintliche Übersetzungen teilweise auch unter Pseudonym weiter vermarktete. Sogar auf ein einzelnes Abbild des Autors ist Dangel bei seinen Recherchen gestoßen.

Nun also legt Dunkelgestirn den zweiten, abschließenden Band mit weiteren 43 Erzählungen am Bruhls vor.

Da der erste Band innerhalb von knapp einem Monat vergriffen war, haben sich Herausgeber und die beteiligten Verleger entschlossen, eine Auswahl der aufgefundenen und bei Dunkelgestirn publizierten Geschichten in der Dornbrunnen „Taschenschmöker“-Reihe dauerhaft zugänglich zu machen. Dort ist der erste Band unter dem Titel „Der Höllengeiger“ bereits erschienen.

Wie wir dies von den Editionen Eric Hantschs kennen und schätzen, ist das Buch wieder ein bibliophiler Leckerbissen. Halbleinen mit Rückenprägung, nebst Longrano-Bezug, Lesebändchen und signiert von der Illustratorin und dem Herausgeber erwarten ganz unterschiedliche Texte den Rezipienten.

Auffällig dabei wiederum, dass am Bruhl, anders als die meisten seiner Zeitgenossen, nie in einem herablassenden Ton über die beschriebenen Einheimischen erzählt. Am Bruhl war ein Menschenfreund; ein Büroleiter, der seinen Beruf wohl aufgab, um die Welt und deren Bewohner auf ausgiebigen Reisen kennenzulernen.


Und dieses Interesse, das er allem Fremden vorurteilsfrei entgegenbrachte, spiegelt sich in seinen Geschichten wider. Hier ist er weder auf ein bestimmtes Subgenre, noch auf einen Handlungsort limitiert. Es geht auf diverse Kontinente, in Wüsten, ins ewige Eis oder den wuchernden Dschungel. Er präsentiert uns klassisch angelegte Spuk-Geschichten, Beiträge über Seelenwanderungen, okkulte Erlebnisse, mystische Erzählungen aus dem Heiligen Land, Hexenzauber oder Expeditionen in unberührte Terra incognita. Oft führt am Buhl seine Leserinnen und Leser zunächst auf eine falsche Fährte, überrascht dann mit einer so nicht vorhersehbaren Wendung oder Pointe.


Der Verlag hat dem Band dann noch eine von Lars Dangel zusammengestellte, über 60seitige kommentierte Bibliographie beigegeben.

Insgesamt wieder ein Buch, dem man die Mühe und die Liebe anmerkt, die bei und zu seiner Entstehung beigetragen hat. Ein Band, der uns immer von Neuem bei der Lektüre überrascht und unterhält und uns zudem einen Autor vorstellt, der ohne die intensiven Recherchen Lars Dangels wohl vergessen geblieben wäre.