Victoria Aveyard: Das Reich der Spindeln - Realm Breaker 3 (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Sonntag, 07. Juli 2024 09:25
Victoria Aveyard
Das Reich der Spindeln
Realm Breaker 3
(Fate Breaker, 2024)
Übersetzung: Michaela Link
Penhaligon, 2024, Hardcover, 734 Seiten, 20,00 EUR
Rezension von Carsten Kuhr
Seit Generationen waren die Spindeln, Tore in andere Welten, geschlossen und versiegelt. Einst kamen aus den nun verschütteten Übergängen ganze Völkerscharen, aber auch jede Menge Monster nach Allwacht, trieb man Handel und mehrte den Reichtum aller.
Nachdem die Spindeln geschlossen wurden, blieben einige Unsterbliche, Kinder des Übertritts, unfreiwillig auf Allwacht zurück, vermischten sich mit den Menschen und zogen sich schließlich in abgelegene Landstriche zurück.
Jetzt macht sich ein Renegat daran, der von einem dunklen Gott besessene Taristan, den Status quo zu beenden. Zusammen mit der ehrgeizigen Königin Erida und unterstützt durch einen Magier beginnt er, mit Hilfe seiner einst von den Unsterblichen geschmiedeten Spindelklinge eben jene Spindeln aufzureißen. Horden wandelnder Leichen, dämonische Krieger und echte Drachen helfen ihnen bei der Eroberung der Nachbarreiche.
Nur eine kleine Gruppe stellt sich dem Vorhaben in den Weg. Corayne an-Amarat, neben Taristan die letzte aus dem Blute der Cor, die alleine die magischen Schwerter schwingen können, ist beinahe geschlagen. Zu übermächtig sind die Horden, die ihnen nachstellen, zu überlegen die Königin und ihr Gemahl.
Ohne ihre Freunde macht sie sich auf, neue Verbündete zu suchen; die einzige Chance, dem Weltuntergang entgegenzutreten, liegt darin, die Unsterblichen davon zu überzeugen, in den verlustreichen Kampf einzutreten - etwas, das die Welt seit Generationen nicht mehr gesehen hat und das Einzige, das bei der Bedrohung durch den lauernden und leibhaftigen Drachen höchst notwendig ist…
Weiterhin wandelt Aveyard auf den Pfaden, die so manche ihrer Vorgänger ausgetreten haben. Soll heißen, den Leser erwartet eine von der Anlage her typische Helden-Queste, die, dem Zeitgeist folgend, ein wenig modernisiert wurde.
So wurde unser Plot in Hinsicht auf Diversität angepasst: Statt eines jungen Recken steht dieses Mal eine junge, entwicklungsfähige und natürlich zunächst maßlos überforderte Frau im Zentrum des Geschehens, queere Beziehungen werden stimmig integriert - die Grundanlage aber orientiert sich am Erfolgsgewohnten.
Die Begleiter - ein verliebter Knappe, ein traumatisierter Unsterblicher, eine geschasste und verfolgte Attentäterin, eine verrückte, demente Hexe, ein ehemaliger Priester - der zugleich ein genialer Fälscher ist - sowie eine habgierige Kopfgeldjägerin - sind als Unterstützer zwar engagiert dabei, aber ebenso überfordert wie oftmals hilflos.
Sie leben in einer Welt, die uns als laut, dreckig, verdorben, ungerecht und brutal beschrieben wird. Dies sorgt für Authentizität und Überzeugungskraft der Bühne, auf der dann die wiederum drei alternierenden Handlungsstränge angesiedelt sind.
Und hier erwartet uns dann jede Mange packend aufgezogene Dramatik. Es gibt Kämpfe zuhauf, Verrat und Opfer, Geheimnisse und ein ganz klein wenig Rührseligkeit. Das liest sich, einmal wieder in die Handlung eingetaucht, weiterhin wunderbar packend und spannend, was auch der erneut guten Übersetzung von Michaela Link zu verdanken ist.
Nachdem die Autorin uns im Finale des zweiten Teils mit doch herben Verlusten an Sympathieträgern zurückgelassen hat, ist sie im ersten Viertel des Abschlussbandes zunächst bemüht, eben jene Handlungsträger halbwegs vernünftig aus ihrer lebensbedrohlichen Situation zu retten und wieder in die Handlung zu integrieren. Dies gelingt bei Aveyrad teilweise erstaunlich gut, dann wieder bleibt die innere Logik doch recht weit außen vor.
Anschließend geht es mit großen Schritten in Richtung dramatisches Finale. Und was hat die Autorin dort aufgefahren: eine Festung der Unsterblichen auf einem hohen Bergkamm gelegen, die zahlenmäßig weit überlegenen Truppen der angehenden Kaiserin, Kriegselefanten, Drachen und Magie, Verrat und eine ungewöhnlich ausgearbeitete Welt mit ihren Toren (Spindeln), die in andere Realitäten führen. Es wird, das ist klar, verlustreich, dramatisch und brutal im letzten Kampf der beiden verfeindeten Parteien.
Unsere Erzähler haben sich im Verlauf der drei Bände immer weiterentwickelt. Die Darstellung dieses Prozesses ist glaubwürdig, die verschiedenen Charaktere sind interessant und nicht zu ähnlich, so dass die maßgebenden Figuren sich ebenso abwechslungsreich wie unterschiedlich anbieten. Sie alle - Protagonisten wie Antagonisten - sind glaubwürdig und fesselnd beschrieben, sie kämpfen mit ihren inneren Konflikten mindesten genauso wie mit den Fährnissen, die das Schicksal in Gestalt der Autorin für sie bereithält.
Die Trilogie bietet uns Lesern eine epische Fantasy-Queste in archaischem Setting. Die Grundzüge der Handlung orientieren sich an den bekannten und erfolgreichen Vorbildern, inkludiert dann aber ganz eigene Ideen und modernisiert den Figuren-Kosmos durch unauffällige Einfügung queerer Beziehungen.
Aber das Wichtigste zum Schluss: Die Trilogie ist schlicht eine unheimlich spannende, fesselnde Abenteuer-Geschichte, die uns bis zum Finale nicht mehr aus ihren Fängen lässt.