Veera Salmi: Das Buch des Oboi (Buch)

Veera Salmi
Das Buch des Oboi
(Oboin Kiriya, 2022)
Übersetzung: Alena Vogel
Crocu, 2024, Hardcover, 378 Seiten, 20,00 EUR

Rezension von Christel Scheja

Die in Helsinki lebende Autorin Veera Salmi hat über zwanzig Jahre in einem Kindergarten gearbeitet, bis sie durch die Kinder selbst auf die Idee kam zu schreiben und Bücher zu veröffentlichen. „Das Buch des Oboi“ ist die erste Geschichte, die auch nach Deutschland kommt.


Oboi nutzt die Gelegenheit, um aus einem Heim - oder besser: Gefängnis - zu fliehen, in dem die Kinder zwar alles lernen, diesen Ort aber niemals verlassen dürfen. Als Waise ist er auf der Suche nach seiner Herkunft, und die glaubt er in der Bergstadt zu finden.

Doch dort ist alles anders, als er es kennt. Nicht nur, dass die Bewohner sich sehr seltsam verhalten, sie können auch nicht lesen, ja es ist sogar strengstens verboten, denn die strenge Wanda gebietet über alles und jeden. Und erstickt Widerstand im Keim.


Veera Salmi scheint den Kindern genau zugehört zu haben, schaffen diese es doch durch ihre phantasievollen Ideen, die ganz normale Welt in ein magisches Universum zu verwandeln, in dem magische und moderne Elemente sich glaubwürdig miteinander vermischen, auch wenn man das nicht rational hinterfragen sollte.

Sie lädt den Leser ein, gemeinsam mit Oboi diese neue Welt zu entdecken. Der Waisenjunge ist mutig, auch wenn er sich immer wieder von einem Buch leiten lässt, das ihm Botschaften übermittelt. Nach und nach kommt er aber auch mit seinen neu gefundenen Freunden der Wirklichkeit auf die Spur und die ist nicht ganz ohne.

Märchenhaft und versponnen kommt die Geschichte daher; gut versteckt sind nicht nur Zitate aus anderen Romanen, sondern auch Entwicklungen der realen Welt, man denke nur an die Corona-Pandemie. Gleichzeitig kann ein erwachsener Leser dystopische Momente entdecken und wird immer wieder zum Nachdenken über das gebracht, was er als rational und notwendig betrachtet.

Junge Leser können dagegen unbeschwert in die Geschichte eintauchen, in der alles möglich ist und Bücher oder Geschichten lebendig werden. Ohne erhobenen Zeigefinger macht die Autorin dadurch Mut, das Lesen zu wagen und dessen Macht nicht zu unterschätzen; eine Botschaft, die nicht überhört werden sollte.

Allerdings ist das Ganze in einer abgedrehten Handlung voller skurriler Figuren versteckt, die das jugendgerecht gehaltene Abenteuer tragen. Ein paar schaurige Szenen sorgen zudem für richtigen Grusel, die das Buch noch interessanter und vielschichtiger machen, da auch erfahrene Leser Einiges dahinter erkennen können.

„Das Buch des Oboi“ wirkt nur auf den ersten Blick wie ein klassisches Abenteuer, tatsächlich steckt hinter dem Buch von Veera Salmi weitaus mehr als nur ein verschrobenes Märchen; gerade erwachsene Leser werden viele Anspielungen aus dem Text lesen und dadurch zum Nachdenken angeregt.