Die DC Comics Chronik – 75 Jahre Superhelden (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Freitag, 25. Februar 2011 22:22
Alan Cowsill, Alex Irvine, Matthew K. Manning, Michael McAvennie und Daniel Wallace (Hrsg.), mit Beiträgen von Alastair Dougall
Die DC Comics Chronik – 75 Jahre Superhelden
(DC Comics: Year by Year – A Visual Chronicle, 2010)
Titelgestaltung von Ryan Sook
Original Artwork von Jim Lee, Adam Hughes, Alex Ross u. v. a.
Panini, 2011, Hardcover auf 999 Exemplare limitierte und nummeriert, 352 Seiten, 89,00 EUR, ISBN 978-3-86201-050-9
Von Irene Salzmann
Im Allgemeinen wird das erstmalige Auftreten der Figur Superman in „Action Comics“ 1 im Juni 1938 als die Geburtsstunde der Superhelden betrachtet. Die Verlagsgeschichte begann jedoch schon 1935 mit den Comic-Magazinen „New Fun“ und „New Comics“, bevor mit „Detective Comics“ 1937 das DC-Label eingeführt wurde. Schon damals arbeiteten Jerry Siegel und Joe Shuster für den jungen Verlag, der einmal der größte werden sollte und bis heute am längsten existiert. Schon damals nahm man sich nicht nur witziger Themen, Western- und Abenteuergeschichten an: Mit Dr. Occult und Green Hornet gab es bereits die Vorläufer der späteren Superhelden und darüberhinaus so manche phantastische Story.
Grob unterteilt man die Comic-Geschichte in das Golden Age (1938 – 1955), Silver Age (1956 – 1969), Bronze Age (1970 – 1979) und das Modern Age (1980 – jetzt). Daran orientiert sich auch die vorliegende Chronik, die in Jahres- und Monatsschritten die wichtigsten Titel in Wort und Bild vorstellt, auf die Verlagsgeschichte, vorherrschende Themen, populäre Figuren und namhafte Künstler eingeht. In Fußzeilen wird außerdem auf die politische Weltlage, auf wissenschaftliche und kulturelle Meilensteine hingewiesen, so dass man auch den Einfluss realer Geschehnisse auf die Comic-Welt verfolgen kann.
In das Jahr 1939 fiel das Debüt von Batman, geschaffen von Bill Finger und Bob Kane, in „Detective Comics“ 27. In Deutschland ist er wohl der beliebteste DC-Charakter, noch vor Superman. Es folgten weitere Helden wie Flash und Captain Marvel, dessen Serie ursprünglich bei Whiz Comics erschien, der wie einige andere Charaktere und Label ins DC-Universum eingegliedert wurde, wobei der Anschluss von Wildstorm 1999 sicherlich der größte Coup für DC darstellt.
Die Geschichten, die diese Helden erlebten, waren phantastisch, spannend und humorig, bis der Zweite Weltkrieg die Comics erreichte, in denen nun gegen die Nazis gekämpft wurde. Einige Künstler wurden zum Kriegsdienst eingezogen und verarbeiteten die schrecklichen Erlebnisse in ihren Geschichten. In diese Ära fiel auch der erste Auftritt von Wonder Woman (1942) und Superboy (1945).
Nach Kriegsende erlebten die Helden eine Flaute, denn die Leser sehnten sich nach leichter Unterhaltung und Comedy. Infolge stiegen die Verkaufszahlen von romantischen und Gag-Titeln, von Action-, Western- und SF-Comics. Die Superhelden mussten sich thematisch anpassen und sich 1954 obendrein noch dem Reglement des Comic Codes unterwerfen, um von einer um ihre Jugend besorgten Gesellschaft akzeptiert zu werden, die strengste moralische Anforderungen stellte.
Dies leitete das Silver Age der Comic-Geschichte ein und brachte viele neue Helden, darunter auch einige Nachfolger von gealterten Charakteren, zum Beispiel Flash, Hawkman, Green Lantern und Atom. Endlich durften die ersten Protagonisten heiraten (Hawkman und Hawkgirl, Aquaman und Mera). Die Sidekicks (Robin, Jimmy Olson) wurden selbständig, zeigten sich begeisterungsfähig für aktuelle Dinge und stellten Forderungen, die von jungen Lesern nachvollzogen werden konnten. Damit wurde auch die moderne Popkultur zu einem wichtigen Thema in den Comics.
1966 kamen der erste „Batman“-Film und die TV-Serie ins Fernsehen und eroberten auch Zuschauer, die bislang wenig für (Superhelden-) Comics übrig hatten.
In den 1970er Jahren machten die Comics erneut einen Wandel durch, was Themen, Erzähltechnik und Stil anbelangt. Die unfehlbaren Helden waren out, und realistischere Charaktere und Geschichten wurden erwartet. So mussten die beliebten Helden allerlei Krisen durchmachen und mit Tabus brechen: Speedy, der Sidekick von Green Arrow, wurde zum Heroin-Junkie. Seine Probleme und der Entzug wurden ungeschönt geschildert. Zu den neuen Helden gehörten die New Gods, Swamp Thing, Man-Bat, Steel und Firelord. Das erste Crossover mit einem anderen Verlag, fällt ins Jahr 1976: Superman trifft Spider-Man, DC meets Marvel. Auch Fantasy-Comics und ihre Helden wie „Warlord“, Bruce Lee-Homagen wie „Kung-Fu Fighter“ oder Literatur-Adaptionen wie „Der Zauberer von Oz“ sorgten für mehr Vielfalt.
Ab 1980 ging erneut ein Ruck durch die Comic-Welt. Statt kurzer, einfacher Geschichten, die sich meist über zwei Teile erstreckten, wurden nun Mini-Serien umgesetzt, hinzu kamen regelmäßig Großevents und Crossover. Handlung und Charakter-Design profitierten davon und wurden komplexer. Zeichner wie Todd McFarlane, Jim Lee, Alan Davis, Mike Deodato jr., Whilce Portatio und viele andere setzten zeichnerisch neue Maßstäbe und führten die rein durch den Verlag gesteuerten Serien zu einer neuen Blüte, indem sie die Mitsprache der Künstler durchsetzten – was auch die Gründung der Image-Studios zur Konsequenz hatte, denn diese Entwicklung verlief nicht ohne Konflikte. Die Geschichten wurden düsterer, härter und wiesen nun öfters Horror-Elemente auf. Die Feindbilder änderten sich: Man löste sich etwas vom ‚bösen Nazi‘ und dem ‚bösen Russen‘, entdeckte stattdessen den ‚bösen islamistischen Terroristen‘, insbesondere nach dem 11. September. Immer öfter griffen Helden zu Mitteln, die sie früher ablehnten; sie konnten zur Gegenseite wechseln, sterben und töten.
Da das DC-Universum immer unübersichtlicher geworden war, beschloss man, den Stand auf 0 zurückzusetzen, das Bisherige als Elseworld-Storys abzuhaken und die neu definierten Helden in zeitgenössische Abenteuer zu schicken. In diese Zeit fallen auch Ausnahme-Titel wie Frank Millers „Ronin“ und Neil Gaimans „Sandman“, aber auch die „Amalgam“-Reihe, in der DC- und Marvel-Helden verschmelzen, sowie weitere verlagsübergreifende Crossover. Zu den DC-Helden mit eigenen Serien zählten nun Azrael, Lobo, Catwoman und Nightwing.
Die Chronik endet im August 2010 mit der Erwähnung der Jubiläums-Nummern „Superman“ 700 und „Wonder Woman“ 600. Viele Details haben die Autoren zusammengetragen – und natürlich gibt es bei dieser überwältigenden Material-Flut auch Lücken; nicht jeder Titel oder Event, den ein anderer sicherlich für erwähnenswert hält, konnte hier aufgenommen werden. Dennoch erhält man einen rundum gelungenen Überblick über 75 Jahre CD-Comics, gesehen im Wandel der Zeit.
Die Chronik ist als großformatiges Hardcover erschienen und bietet ein übersichtliches Layout auf mehr als 350 Seiten Kunstdruckpapier: Texte verschiedener Autoren beschreiben die allgemeine Entwicklung und anschließend die Details, hervorgehoben durch Überschriften und farbig unterlegte Kästchen und unzählige Abbildungen (Cover, Panels), die wenigstens die Größe einer Trading-Card haben, sich aber auch über zwei Seiten ziehen können.
Als besonderes Extra wurden zwei Drucke mit Motiven des Künstlers Ryan Sook beigefügt, eines in Farbe, das mit der Cover-Abbildung identisch ist, und eines in schwarzweiß, Batman gewidmet.
89,00 EUR ist ein stolzer Preis, aber für dieses Mammut-Werk geht er völlig in Ordnung. DC-Fans, die sich für die Geschichte des Verlags, seiner Künstler und Helden interessieren, werden viel Freude daran haben, in der „DC Comics Chronik“ zu stöbern, interessante Informationen zu lesen, die sie noch nicht kannten, und schöne Zeichnungen zu bewundern, von denen man viele noch nie zuvor gesehen hat.