Susanne Rauchhaus: Die Messertänzerin (Buch)

Susanne Rauchhaus
Die Messertänzerin
Titelillustration von Ivan Blitnetsov
Ueberreuter, 2010, Hardcover, 368 Seiten, 14,95 EUR, ISBN 978-3-8000-5603-3

Von Carsten Kuhr

Divya wurde mit gerade einmal vier Jahren von ihrer Mutter als Dienerin verkauft. Seitdem besteht ihr Leben darin, es anderen leichter zu machen. Als Leibeigne ohne Rechte steht sie morgens lange vor den Herrschaften auf, sorgt für deren dreckige Wäsche ebenso wie für ihr leibliches Wohl.

Zunächst hatte sie noch die Hoffnung, dass mit ihrem zwölften Geburtstag alles besser werden würde. Dass sie dann wählen könnte, die Ausbildung zur Ehefrau, die all die hochherrschaftlichen Mädchen an ihrer Schule durchlaufen, zu probieren. Doch die Leiterin der Ausbildungsanstalt bringt sie schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Als Mitglied der niedrigsten Kaste wird sie immer eine Dienerin bleiben, wird, wenn überhaupt, nur innerhalb ihrer Kaste heiraten können. Ausgeträumt ist der Traum vom persönlichen Glück. Unter der grauen Kaste lebt nur noch das ausgegrenzte Volk der Tassari, die vom despotischen Herrscher Fürst Warkan als Sündenbock missbraucht werden. Dass Divya mit ihren schwarzen Haaren und den dunklen Augen aussieht wie eine Tassari macht sie in den Augen ihrer jungen Herrschaft nur noch verdächtiger.

So übt sie heimlich und im Verborgenen die Kunst des Tanzes, ja es gelingt ihr, einen der Elitekämpfer des Fürsten zu überreden, ihr den Messerkampf beizubringen. Und sie erweist sich als überaus gelehrsame Schülerin. Als ihre beste Freundin den Fürsten gegen ihren Willen heiraten soll, die Tassari in ein außerhalb der schützenden Stadtmauern gelegenes Ghetto deportiert werden, um dort zu verhungern und der Kontakt zu den Lichtern, hilfreichen Geistern verboten wird, weiß Divya, dass die Zeit des Handelns gekommen ist…

Susanne Rauchhaus legt einen auf den ersten Blick unspektakulären Roman vor. Es geht um das Schicksal eines jungen Mädchens, das, wie so viele, davon träumt, aus den gesellschaftlichen Grenzen auszubrechen, ihr persönliches Glück zu finden und letztlich etwas Bedeutsames zu erreichen. In einer sehr begrenzten Welt, über die der Leser kaum etwas erfährt, machen wir uns zusammen mit unserer Erzählerin auf, die vielen Geheimnisse zu ergründen. Dabei ist die Protagonistin geschickt gewählt. Zu Beginn ist sie das naive Mädchen ohne Wurzeln, das nach Anerkennung, nach einem Platz in der Welt und nach menschlicher Wärme sucht. Hier wird sie dem Leser ob ihres schweren Schicksals sympathisch, man hat unwillkürlich Mitleid mit dem geschundenen, verachteten und vereinsamten Wesen. Später, als sie das Heft ihres Lebens aktiv in die Hand nimmt, entwickelt sie sich fort. Dabei wird sie von Verrat und Verlusten ebenso geprägt, wie vom Auffinden ihrer Familie.

Die Tassari erinnern in ihrer ganzen Anlage an die Juden. Als Sündenbock auserkoren, ausgegrenzt und misstrauisch beäugt werden sie ghettoisiert, droht ihnen der Genozid. Die Auflösung schließlich ist folgerichtig, führt die offenen Handlungsfäden zu einem befriedigenden Ende und lässt den Leser das Buch zufrieden schließen.