Shannon Chakraborty: Die Abenteuer der Piratin Amina al-Sirafi (Buch)

Shannon Chakraborty
Die Abenteuer der Piratin Amina al-Sirafi
(The Adventures of Amina al-Sirafi, 2023)
Übersetzung: Kerstin Fricke
Panini, 2023, Paperback, 576 Seiten, 19,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Sie war eine Legende - von Aden bis Mogadischu war sie geachtet, gefürchtet und bekannt. Die Rede ist natürlich von Amina al-Sirafi; legendäre Abenteuerin, Kapitänin, Liebhaberin und Piratin.

Vor Jahren schon hat sie ihr geliebtes Schiff, die „Marawati“, ihrem einstigen Rudergänger überlassen und sich in eine abgelegene Region zurückgezogen. Gebrochen durch den Tod ihres Gefährten, zieht sie hier, zusammen mit ihrer eigenen Mutter, ihre Tochter auf. Ein Mädchen, schön und süß, ein Spross aus einer Verbindung mit einem Dschinn - so heißt es zumindest.

Hier leben sie in einfachen Verhältnissen vom Land; das Abenteuerleben ist weit weg, fast vergessen. Bis die Mutter eines einstigen Schiffsgefährten sie findet und unter Druck setzt. Die Tochter ihres verstorbenen Freundes wurde entführt, schlimmer noch: von einem Ungläubigen, einem Hund von einem Franken. Für ein wahrhaft fürstliches Salär, einen wahren Schatz, soll Amina die Entführte finden und zur Großmutter nach Hause zurück geleiten.

Dumm dabei, dass ihre Auftraggeberin vergessen hat ihr mitzuteilen, dass ihre Enkelin wohl eher die Hilfe des Ungläubigen bei ihrer Flucht gesucht hat, als dass sie mit Gewalt verschleppt worden wäre, und dass der Franke die Kunst der Magie beherrscht. Zusammen wollen die Beiden die legendäre Perle, „den Mond von Saba“ suchen und bergen.

Als Amina die Suche aufgeben will, wird sie erpresst: entweder sie forscht nach der Enkelin, oder ihre eigene Tochter wird zur Zielscheibe! Also macht sie sich auf die Suche nach der Perle, denn da wo diese ist, dürften die Entführte und der Franke ja nicht arg weit weg sein…


Shannon Chakraborty steht für eine etwas andere Art von Fantasy. Schon ihre gefeierte „Daevabad“-Trilogie wies den Weg; Fantasy in einem arabischen Setting, das hatten wir noch nicht wirklich oft. Philip José Farmers „Opar“-Geschichten, P. Djèlí Clark, Kai Meyer und natürlich Akram el-Bahay - arg viel mehr fallen mir da ad hoc nicht ein.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die Autorin zum einen nicht wertet, zum anderen sich offensichtlich sehr intensiv mit den Menschen, ihrem Verhalten und den kulturellen wie religiösen Wurzeln beschäftigt hat. Entsprechend realistisch zeichnet sie ihre Welt, die weitgehend auf sorgfältig recherchierten Tatsachen beruht. Insoweit liest sich der Roman über weite Strecken wie eine Mischung aus Historien- und Abenteuer-Roman, dem dann, recht dosiert, noch ein phantastisches Element hinzugefügt wird.

Für uns Westler ist das eine ganz unbekannte Welt, die sich uns hier erschließt. Der Zauber des Orients des 12. Jahrhunderts fasziniert mit seiner Pracht, der Lebensfreude und der alten Kultur, die allem, was die Franken aufbieten konnten, weit überlegen war. Dazu das Setting zwischen Indischem Ozean, Mittelmeer bis hinunter nach Madagaskar und eine ganz ungewöhnliche Darstellung des Lebens der damaligen Familien. Frauen waren hier beileibe nicht so unmündig wie vermutet, sondern griffen in den Wirtschaftskreislauf als Händlerinnen etc. durchaus mit ein.

Nach und nach eröffnet Chakraborty uns diese Welt über die Geschichten der handlungsrelevanten Figuren, die sie uns, verteilt über diverse Kapitel, sehr detailreich und damit glaubwürdig vorstellt. Dies geht zunächst zu Lasten des Tempos, dient dann aber als solide und glaubwürdige Grundlage für die Welt und die Ereignisse, denen wir folgen. Die Schicksale, die Welt faszinierten mich, bannten mich regelrecht an die Seiten. Dazu kommt die besondere Erzählweise unserer Ich-Erzählerin, die uns mitten hineinzieht in die Welt aus 1001 Nacht.

So ist dies ein wunderbar stimmiger, atmosphärisch dichter phantastischer Abenteuer-Roman um eine Frau und Mutter, Abenteuerin und Piratin, der uns eine ebenso exotische, wie überraschend moderne Welt vorstellt, dabei mit alten Vorstellungen und Vorurteilen aufräumt und uns packend den tristen Alltag vergessen lässt - well done, Mrs. Chakraborty, very well done!