Oliver Hoffmann: Moriarty trinkt Tee (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Montag, 16. Oktober 2023 18:40

Oliver Hoffmann
Moriarty trinkt Tee
Dryas, 2023, Hardcover, 216 Seiten, 24,00 EUR
Rezension von Carsten Kuhr
Wir kennen die einander so verfeindeten Masterminds: auf der einen Seite der Über-Detektiv Sherlock Holmes, ein Mann, manisch, vielleicht gar schizophren, aber auch ein Genie; sein Widerpart, der Meister des Verbrechens, der Mathematik-Professor James Moriarty, der hinter allem Bösen steckt, das London, ja der Welt widerfährt. Doch war es wirklich so, wie der Chronist Dr. Watson dem Leser in seinen schnell geschriebenen Kladden weismachen will? War James Moriarty wirklich der König des Verbrechens?
Schon einmal hat das ehemalige Gassenkind und Diebin Molly Miller Professor Moriarty bei der Aufklärung eines Verbrechens geholfen. Dann wird ausgerechnet Dr. Watson für den Mord an einem Privatdetektiv verhaftet; eine schnelle Aufklärung für ein Kapitalverbrechen - und wenn es denn einen Unschuldigen trifft, wen schert’s. Der außerhalb der Stadt residierende, kokainsüchtige Sherlock bittet ausgerechnet Moriarty um Hilfe für seinen Freund.
Schnell wird deutlich, dass einmal mehr die Honoratioren der besseren Gesellschaft in die Sache verwickelt sind. Und irgendwie haben die Verbrechen auch mit dem lange zurückliegenden Kanpur-Massaker der aufständigen Inder in den Kolonien zu tun…
Nach dem Auftaktroman um eine Verbeugung vor der Welt größtem Detektiv und dessen Widersacher, liegt nur der zweite von drei Romanen um Oliver Hoffmanns Moriarty vor mir.
Ja, auch dieses Mal ist es natürlich eine Holmes-Pastiche. Und wieder erwartet uns ein Mädchen, fast schon eine Frau von beinnahe 17 Lenzen, als Erzählerin.
Inzwischen kennen wir das Figuren-Ensemble aus dem Auftaktband, jetzt kann sich der Verfasser auf andere Dinge konzentrieren. Hoffmann nutzt diesen frei werdenden Raum, um uns die Verdächtigen genauer und detailreicher zu offerieren und zu beschreiben und einen zunächst undurchsichtigen, dann immer faszinierenden Plot zu kredenzen.
Erstaunlich, dass es dem Verfasser hier gelingt, durchaus kritische Töne zu bis heute andauernden Missständen miteinfließen zu lassen. Da geht es um Standesdünkel, um die Geißel der Prostitution, um Ausbeutung breiter Bevölkerungsschichten durch die Kapitalisten, um Undurchdringlichkeit von Standesgrenzen. Und obwohl dies wahrlich ernste Themen sind, gelingt es Hoffmann uns gut zu unterhalten. Neben der Suche nach Täter und Motiv, sind es die Details um das Leben, die Zustände und das Verhalten in der beschriebenen Ära, die mich an die Seiten gebannt haben.
Ein paar Mal geht der Verfasser eine letztlich unnötige Abzweigung zu viel, verläuft ein interessanter Ansatz um eine Geheimgesellschaft im Leeren.
Dennoch: Der in einem unauffälligen Stil verfasste Roman kommt erneut ohne große Action-Szenen aus, unterhält mit einigen unvorhersehbaren Wendungen und bietet die intelligente Suche nach dem Who Did It.