Anthony Ryan: Ein Fluss so Rot und Schwarz (Buch)

Anthony Ryan
Ein Fluss so Rot und Schwarz
(Red River Seven, 2023)
Übersetzung: Sara Riffel
Tropen, 2023, Hardcover, 272 Seiten, 22,00 EUR

 

Rezension von Carsten Kuhr

Sie wachen an Bord eines kleinen Patrouillenboots inmitten eines Nebels auf. Sieben Menschen - alle weisen am Schädel und in der Nierengegend Operationsnarben auf, und sie alle wissen nicht mehr, wer sie sind. Angeleitet von einer künstlichen Stimme machen sie sich auf den Weg in ein postapokalyptisches London - einer Metropole, in der etwas passiert ist.

Menschen starben, viele davon grausam und schmerzhaft, verwandelten sich im Moment des Exitus in etwas Anderes, etwas Neues. Ein rosafarbener Nebel wabert über der Stadt an der Themse - einer Stadt, die von einem pflanzlichen Dickicht überwuchert ist, das aus den Leichen ihrer vormaligen Bewohner wächst.

Schnell wird deutlich, dass unsere wackeren Sieben die letzte Chance der Menschheit darstellen, das Virus, das um sich greift, zu besiegen. Um eine – zugegeben: kleine - Chance zu haben, opferten sie das wichtigste, was sie hatten: ihre Erinnerungen an Familie, Freunde, an schöne, unvergessliche Momente. Jetzt wartet ein Gegner auf sie, der gnadenlos effektiv und absolut tödlich ist. Doch zuerst einmal müssen sie ihre Mission annehmen, sich zusammenraufen und schlicht überleben; kein einfaches Schicksal, wartet doch eine ganze Großstadt darauf, sie zu bekämpfen.


Anthony Ryan ist uns als Großmeister der Dark and Gritty Fantasy bekannt. Bei seinem deutschen Hausverlag Hobbit Presse erschienen und erscheinen seine High-Fantasy-Epen, in denen er große Schlachtengemälde mit faszinierenden Charakteren verbindet.

Nun hat Klett, zu der die Hobbt Presse gehört, in seinem Imprint Tropen Ryans meines Wissens nach ersten Thriller publiziert. Angesiedelt in einer postapokalyptischen, Welt schildert er uns das Schicksal von sieben - eigentlich sechs - Menschen, die ohne Erinnerung auf einem kleinen Boot zu sich kommen. Zunächst müssen sie sich zwischenmenschlich arrangieren: Animositäten, Misstrauen und Verzweiflung wohin des Lesers Auge auch schaut. Sukzessive, durch die erschreckten Augen unserer Missionsteilnehmer, nähern wir uns London und damit dem Rätsel, was eigentlich von Ihnen erwartet wird.

Ohne zu viel verraten zu wollen geht es darum, eine Bedrohung für die Menschheit auszuschalten - so viel wird schnell klar.

Die Hintergründe, die Interaktionen zwischen den einzelnen Teilnehmern der Expedition, sind das Salz in der Suppe. Hier zieht der Verfasser Spannung und Faszination aus den Gegensätzlichkeiten. Wobei schnell deutlich wird, dass Ryan sich im archaischen Fantasy-Umfeld weit versierter tummelt, als in einer modernen Metropole. Die Bühne bleibt recht unscharf, wird uns als von grauenhaften Mutationen besiedelte grüne Hölle vorgestellt, der Autor konzentriert sich auf die rasant vorangetriebene Handlung und seine Figuren. Dass diese ihre Erinnerungen aufgegeben und damit ihre Vergangenheit verloren haben, nimmt diesen aber natürlich Tiefe. Zusammen mit ihnen versuchen wir sie kennenzulernen, einzuordnen. Die Bedrohungen, die ihnen auf ihrem Weg in die Stadt begegnen, lassen aber für eine wirkliche Charakter-Entwicklung schlicht keine Zeit. Alles ordnet sich den gut zwei Tagen unter, die wir sie in ihren Einsatz begleiten. Hier versuchen sie sich aus den Informationsschnipseln, die sie bekommen, zurechtzufinden, einen Sinn in ihrer ihnen zu Beginn selbst unbekannten Mission zu finden.

Das ist alles sehr auf den Punkt geschrieben, ein durchaus spannend zu lesender Thriller, ohne dass dieser aber an die wunderbaren Fantasy-Romane des Verfassers heranreicht.