Maddrax 603: In der Grünen Hölle, Michael Edelbrock (Buch)

Maddrax 603
In der Grünen Hölle
Michael Edelbrock
Bastei, 2023, Romanheft, 68 Seiten, 2,40 EUR

Rezension von Matthias Hesse

Karl May hat in seiner Autobiographie geäußert, seine Aufgabe sei es nicht, Antworten zu geben. Seine Aufgabe sei das Erzählen. Die eine oder andere Antwort gibt es zwar in Michael Edelbrocks neuem Roman für „Maddrax“, doch das Erzählen, Oral History, entpuppt sich bald als das zentrale Thema von „In der Grünen Hölle“. Nach über 600 Romanheften, Hardcovers und Nebenreihen darf es in dem großen Pulp-Epos aus dem Hause Bastei auch gern mal ein bisschen meta werden. Zumal dem Autor das Kunststück gelingt, trotz schlichtestmöglicher Handlung einen Meilenstein der Reihe vorzulegen.

 

Der Plot ist rasch erzählt: Um sich aus der Gefangenschaft zu retten, müssen der Titelheld und sein Sidekick ein Artefakt aus einer Todeszone holen. Dort warten schwer einzuschätzende Gefahren in Flora und Fauna, ein zerfallenes Verlies mit weiteren schwer einzuschätzenden Gefahren, dafür eine unverhofft helfende Hand und am Schluss… aber ich möchte nicht spoilern. Wie auch? Wer als Kind schonmal einen Abenteuerfilm gesehen hat, weiß wie es ausgeht.


Was diese Episode im Verbund mit seinem Vorgänger („Das Auge des Jaguars“) dennoch so besonders macht, sind die zahlreichen Geschichten, die erzählt werden. Zunächst von Tecuun, dem greisen Oberhaupt des Stammes, der Protagonistin und Protagonist gefangenhält, denn von ihrem Begleiter, dem Jäger Cchuantico. Schicht um Schicht greifen sie tiefer in die Vergangenheit, beleuchten die Entstehung des Kultes um die Jaguargöttin, die Geschichte des Spiegels von Pachacámac und den erbarmungslose Genozid der Inka und Atzteken durch die spanischen Conquistadores rund 1000 Jahre vor der Serienhandlung. Und blicken sogar in die Zeit davor. Goldgier, Prophezeihungen, Religion und Politik: Edelbrock verwebt bestens recherchierte Historie mit Fiktion - nur die knappe Einordnung, der verblendete Pizarro sei „ein Kind seiner Zeit“ gewesen, ist bei Weitem zu unterkomplex und hätte vom Lektor beherzt gestrichen werden dürfen. Mehr zu meckern gibt es aber nicht.

„Woher nehmt ihr all diese Geschichten“, fragt Matthew Drax einmal. „Woher wollt ihr wissen, was Pizarro wollte und dachte? - Der Gefragte lächelt.“ Und wir bekommen auf diese Frage tatsächlich keine Antwort. Dafür, dass Geschichten von Generation zu Generation weitergegeben werden, sorgen, so Cchuantico, die Eitelkeit ihrer Hauptpersonen, die Notwendigkeit der Wissensweitergabe und wohl nicht zuletzt die Qualität der Geschichte. Alle Ausschmückungen und Dramatisierungen gehen wohl eher auf das Konto der Erzählenden. Und gäbe es deren Kunst nicht, stünde Matt ziemlich hilflos im postapokalyptischen Dschungel herum, das Artefakt wäre für immer verloren.

Eine andere Geschichte bringt den Geist dieses Romans geradezu anrührend auf den Punkt: In den Wirren des drohenden Kometen-Einschlags ist es das Wissen um die alten Geschichten, die die Menschen nicht aufgeben, weiter die Felder bestellen, Gemeinschaften bilden, Liebe suchen, Sicherheit finden lassen. „Ausgestanden wird es niemals sein,“ sagt Michik zu Thani, bevor der Erzähler diskret abblendet, um das Paar ungestört für Nachkommen sorgen zu lassen.

Michael Edelbrock ist seinerseits ein hervorragender Erzähler. Seine Szenen sprühen vor Leben und Emotionalität, sein Stil ist völlig frei von Maniertheiten und Phrasenhaftigkeit, sein Gefühl für Sprache und Dynamik ist im Heftromansektor nicht immer selbstverständlich. Wie er nach eher ruhiger Gangart in der Schlussszene den Sprachhythmus ins Atemlose treibt, obwohl es kaum äußere Action gibt, ist beeindruckend und macht neugierig auf kommende Beiträge zur Serie. Solange auch diese mehr Fragen als Antworten geben, muss man sich keine Sorgen um den Fortbestand machen. Der Anfang zes „Amraka“-Zyklus zumindest hat bisher überzeugt.