Raptor (Comic)

Dave McKean
Raptor
(Raptor, 2021)
Übersetzung: Stephanie Pannen
Cross Cult, 2022, Hardcover, 144 Seiten, 30,00 EUR

Rezension von Christel Scheja

Der britische Künstler Dave McKean dürfte den meisten Lesern vermutlich durch seine Illustrationen, Zeichnungen und Cover zur „Sandman“-Serie bekannt sein. Aber auch viele andere Werke, denen er durch seinen ungewöhnlichen Zeichenstil seinen Stempel aufdrückte. Nun legt er mit „Raptor“ erst einmal eine lange Erzählung vor, die ganz aus seiner Feder stammt - von der Geschichte bis hin zu den stimmungsvollen Bildern.

 

Raptor Sokol führt ein Doppelleben. Auf der einen Seite ist er ein Raubvogel, ein Falke, der in einem feudalen Fantasy-Land um sein Überleben kämpft, sich als geschickter Jäger erweist, der genug Beute schlagen muss und den menschlichen Jägern entkommen. Als Mensch wandert er verloren durch das schmutzige und graue Wales des späten 19. Jahrhunderts und sucht nach Inspiration für seine Schauergeschichten, mit denen er seinen Lebensunterhalt sichert und den Tod seiner jungen Frau verarbeitet. Und so vermischen sich bald Realität und Phantasie miteinander.


Die Geschichte ist nicht nur von McKean erfunden worden, sie bleibt auch nach der Veröffentlichung in seinen Besitz, was in den USA nicht selbstverständlich ist. Mit Dark Horse hat er einen Verlag gefunden, der die Geschichte auf einer soliden Basis veröffentlicht.

Die Handlung ist nicht das, was die Masse mag, sie richtet sich eher an die Fans versponnener mystischer Abenteuer, die sie schon durch „Sandman“ und andere Comics kennen.

Der Künstler entführt in eine düstere und mystische Welt, in der die Realität immer wieder mit der Fiktion kollidiert, der Held sich von seinen Gefühlen und seiner Trauer leiten lässt, seinen Träumen Macht verleiht. Kurze Momente des Glücks scheint er als Falke zu erleben, in den Augenblicken, in denen er nur seinen Instinkten folgt; als Mensch drückt ihn seine Last aus Trauer und Depression immer wieder nieder und öffnet sein Herz für die Dunkelheit und den Wahn, so dass er schon bald mit einer örtlichen Legende in Berührung kommt und in den Bann einer besonderen Münze gerät. Doch ist das die Wirklichkeit oder nur ein Traum?

Die Geschichte bleibt ruhig und gediegen, setzt auf Ambiente und Gefühle und erwartet von dem Leser, zwischen den Zeilen zu lesen. So wie man es eben von den meisten Werken der Schauer-Romantik kennt. Daher ist der Comic auch keine leichte Lektüre, sondern eine die man dosiert und sehr aufmerksam genießen sollte.

Das macht „Raptor“ interessant für alle Leserinnen und Leser, die es düster und mystisch mögen, auch gegen einen Schuss Horror und Hässlichkeit nichts einzuwenden haben. Der Band ist nicht nur optisch ein Schwergewicht, auch die Lektüre fordert heraus, wenn man ihren besonderen Zauber erfahren will.