Jörg Kleudgen (Hrsg.): Yuggoth - Ein Reiseführer (Buch)

Jörg Kleudgen (Hrsg.)
Yuggoth - Ein Reiseführer
Originalanthologie
Titelbild: Mario Heyer
Innenillustrationen: Jörg Kleudgen
Basilisk, 2022, Paperback, 134 Seiten, 18,90 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Es gilt ein Jubiläum zu feiern - immerhin liegt der zehnte Reiseführer im Basilisk Verlag vor. Die Reiseführer der Edition Arkham begleiten die Leser seit Jahren zu den Orten aus dem Kosmos um die Großen Alten von H. P. Lovecraft. In den längst vergriffenen und in Sammlerkreisen nur für sehr viel Geld antiquarisch zu bekommenden ersten Reiseführern besuchten wir solch mystische Orte wie Dunwich, Arkham, Kingsport, Ultar oder R’lyeh.

Erneut hat Jörg Kleudgen gerufen und fünf Autoren haben sich mit ihren Geschichten um den kalten Zwergplaneten am Rande unseres Sonnensystems beteiligt.

Der Herausgeber, ein künstlerisches Multitalent, hat nicht nur zwei Storys beigesteuert (eine in Kooperation mit Charles D. Exeter), sondern auch jeweils eine atmosphärisch stimmige Zeichnung zu allen Beiträgen gefertigt. Wie gewohnt ist der Band limitiert (150 nummerierte Bände werden vertrieben), liegt vom Format her angenehm in der Hand und bietet stilistisch ansprechende Erzählungen.


Um was geht es im Einzelnen?

In Peter Stohls „Der Arrandak-Horror I“ begleiten wir Anfang der 30er Jahre einen jungen Wissenschaftler, der seinem Professor in der Sternwarte zur Hand geht. Eines Nachts machen sie eine beunruhigende Entdeckung: Eine merkwürdige Schwärze, ein Ort ohne Licht, ohne Sterne nähert sich der Erde. Sehr stimmig in die Zeit der Handlung eingepasst erwartet uns eine Geschichte, die die Motive HPLs aufgreift, variiert aber nicht plagiiert.

In „Rückkehr nach Yuggoth“ stellen Jörg Kleudgen und Charles D. Exeter uns einen Sachbearbeiter vor, ein kleines Rädchen im großen Getriebe einer Firma. Alles beginnt damit, dass er eines Morgens mit merkwürdigen Ausdrücken im Kopf aufwacht. Dann verändert sich seine Sprache, sein Wesen, seine Erscheinung.
Eine Geschichte, die leicht abgewandelt auch außerhalb des Kosmos der Großen Alten funktionieren würde, die das Grauen langsam aber unausweichlich kommend beschreibt.

Felix Woitkowski entführt uns in „Gesang von einem dunklen Planeten“ in die Peripherie unseres Sonnensystems. Zwei Wissenschaftler erforschen den dortigen Planeten und stoßen auf seismische Bewegungen, die unmöglich natürlichem Ursprungs sein können.
Eine Mischung aus Horror und SF - gut umgesetzt mit einem kleinen Bezug zu Lovecraft, was in vorliegendem Fall absolut kein Manko ist.

In Rainer Zuchs „Der Ruf des Wanderers“ begegnet uns ein junger Farmer aus dem Mittelren Westen, der seinen Traum wahr macht. Es gelingt ihm. als Hilfsastronom bei einer Sternwarte unterzukommen und einen neuen Planeten zu entdecken. Eine britische Schülerin gewinnt eine Ausschreibung und der Kleinplanet wird auf den Namen Pluto getauft - nicht wissend, dass dessen Bewohner ihn Yuggoth nennen und sie seit sich seit Urzeiten darauf vorbereiten, das Tor zum dritten Planeten zu öffnen.
Eine der beiden Geschichten, die mich am stärksten fesseln und faszinieren konnten. Die Zeichnung des Erzählers ist gelungen, das Grauen subtil, die Reminiszenz an Lovecraft eigenständig.

In K. R. Sanders’ „Der zeitlose Beobachter“ lernen wir die DSSR kennen - eine Organisation, die lange vor der NASA im Geheimen aufgrund Funden extraterrestrischer Technologie die Eroberung des Weltraums angegangen ist. Ihre Expedition zum Kleinplaneten führt zu einer Erkenntnis, die die Welt erschüttern könnte: Die Shoggothen bereiten eine Invasion aus Richtung des Neutronensterns vor.
Für mich der schwächste Beitrag; nicht schlecht geschrieben, doch das Grauen, das Übernatürliche packte mich nicht.

Jörg Kleudgens „Griff nach der Unendlichkeit“ berichtet von einem vermeintlichen Mörder. Ein Wissenschaftler, der bei dem Versuch einer Geistreise zum Pluto in einem einsamen Cottage anscheinend mehrere andere Menschen grausam dahingeschlachtet hat.
Wow, ich bin immer wieder beeindruckt, wie gut, fesselnd und atmosphärisch dicht Kleudgen zu fabulieren weiß. Mit ein paar wenigen Sätzen macht er uns mit seinem Protagonisten bekannt, führt dann den Grund für die spätere, bewusste diffus bleibenden Geschehnisse ein und überrascht dann mit einem offenen Finale, das uns aber trotzdem befriedigt - ob der spürbaren Grauens - zurücklässt!

Peter Stohls „Der Arrandak-Horror II“ kehrt in seinem zweiten Beitrag noch einmal zur Sternwarte von Arkham zurück. Halb verfallen thront diese auf einem nahegelegenen Berg und erweist sich als ein Tor, durch das etwas Dunkles die Umgebung heimsucht.
Nicht ganz so überzeugend, wie der ersten Besuch Stohls in Arkham, fügt sich die Geschichte stimmig in den Lovecraft’schen Kosmos ein.