Mitternachtsspitzen (DVD)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Freitag, 03. Juni 2022 15:03

Mitternachtsspitzen
USA 1960, Regie: David Miller, mit Doris Day, Rex Harrison u.a.
Rezension von Elmar Huber
Im dichten Londoner Nebel hat die frisch verheiratete Amerikanerin Kit Preston (Doris Day) ein erschreckendes Erlebnis. Eine körperlose Stimme prophezeit ihr den baldigen Tod. Ihr aalglatter Ehemann Anthony (Rex Harrison) tut den Vorfall am Abend als Streich ab. Gerade als Kit bereit ist, selbst daran zu glauben, erhält sie per Telefon eine weitere Todesdrohung. Doch auch Scotland Yard ist nicht überzeugt und geht sogar davon aus, dass Kit mit ihrer Geschichte nur die Aufmerksamkeit ihres vielbeschäftigten Mannes erlangen will. Die bedrohlichen Telefonanrufe reißen indes nicht ab, Kits Nervenkostüm wird immer dünner, und schließlich entgeht sie nur knapp einem Mordanschlag. Just vor der geplanten Flitterwochenreise der Prestons nach Venedig spitzt sich die Situation nochmals bedrohlich zu.
Mit „Mitternachtsspitzen“ legt Koch vielleicht keinen der ganz großen, doch auf jeden Fall sehenswerten und geschmackvollen Hollywood-Thriller neu auf, der 2008 schon einmal von Universum veröffentlicht wurde. Das Cover zitiert die Nähe zu Hitchcock (auch was das schöne Artwork angeht), die gar nicht so weit hergeholt ist. Über die eingestaubte Darstellung der Geschlechterrollen sollte man großzügig hinwegsehen.
Vorzeige-Komödiantin Doris Day hat hier die Möglichkeit, abseits ihrer bekannten seichten Rollen, überzeugend als hilfloses Psychoterror-Opfer zu glänzen. Und man muss der Darstellerin zugestehen, dass sie auch dieses eher unbekannte Terrain beherrscht; zweifellos ist sie es, die den Film trägt.
Dazu verliert „Mitternachtsspitzen“ kaum Zeit mit Nebensächlichkeiten. Nach dem anfänglichen Schock im Park spinnt das Drehbuch ganz geschickt und ohne viel Schnickschnack ein Netz aus Motiven und Verdachtsmomenten um Kit Preston. Für den aufmerksamen Zuschauer gibt es gleich mehrere Szenen, die aufzeigen, wer denn für die makabren Zwischenfälle verantwortlich sein könnte und warum. Der Thrill wird noch erhöht, indem Kit, vor allem von Seiten der Polizei, mehr und mehr in die Rolle einer überspannten vernachlässigten Ehefrau gedrängt wird, die ‚nur‘ um die Aufmerksamkeit ihres erfolgreichen Mannes buhlt. Die Auflösung kommt relativ überraschend, auch wenn es klar ist, dass hinter den Ereignissen zwangsläufig eine der bekannten Personen stecken muss
Unterstützt wird Doris Day von einigen souveränen Kolleginnen und Kollegen, die sich keinerlei Blöße geben. Vor allem ist Rex Harrison als Kits Ehemann hervorzuheben, dem man nicht so recht über den Weg trauen will. Außerdem Roddy MacDowell als schmieriger Sohn der Haushälterin; undankbare Rolle, tolle Vorstellung.
Alles in allem erweist sich der Thriller als angenehm kompakt und effizient, mit überschaubarem Cast und nicht allzu vielen Schauplätzen. Hier spürt man den Ursprung des Stoffes als Theaterstück („Matilda Shouted Fire“).
Über den Status einer „Special Edition“, den Koch der Veröffentlichung verliehen hat, kann man aufgrund des überschaubaren Bonusmaterials streiten. Neben den Standards (Trailer, Promo-Fotos) gibt es noch eine kurze Featurette über die Oscar-nominierten Kostüme des Films von Modeschöpferin Irene (Lentz), die nicht nur Filmszenen beinhaltet, sondern eine Art privater Modenschau mit Doris Day als Model. Hier erfährt man, wie Mode als Element der Charakter-Zeichnung eingesetzt werden kann und wie die titelgebenden Mitternachtsspitzen selbst zu einem wirkungsvollen ‚Darsteller‘ des Films werden. Sehr elegant!
„Mitternachtsspitzen“ ist bestens geeignet für Thriller-Nostalgiker. Vielleicht als Double-Feature mit Hitchcocks „Bei Anruf Mord“ (ebenfalls mit John Williams und Anthony Dawson).