The Five - Season 1 Box (DVD)

The Five - Season 1 Box
GB 2016

Rezension von Elmar Huber

1995 verschwand der fünfjährige Jesse Wells spurlos, nachdem er sich im Park von seinem großen Bruder Mark (Tom Cullen) und dessen Freunden Danny (O-T Fagbenle), Slade (Les Ingleby) und Pru (Sarah Solemani) getrennt hatte. Obwohl seine Leiche nie gefunden wurde, hat der Kindermörder Jakob Marozy (Rade Serbedzija) gestanden, den Jungen umgebracht zu haben.

Nun, zwanzig Jahre später, taucht Jesses DNA am Schauplatz eines Mordes auf. Marks Freund Danny ist der leitende Detective in dem Fall, der seine alten Kumpels umgehend über den bizarren Fund informiert. Auch Pru, die erst kürzlich mit ihrem Ehemann aus den USA zurückgekehrt ist, schließt sich den ‚Jungs‘ wieder an, um herauszufinden, was es mit diesem Ereignis auf sich hat.

 

Bestseller-Autor Harlan Coben, der für seine trick- und wendungsreichen Thriller bekannt ist, lieferte die Idee zum TV-Event „The Five“. Wie seine Romane beginnt auch der Fall ‚Jesse Wells‘ mit einem Paukenschlag. Mark Wells wird komplett der Boden unter den Füßen weggezogen, als er erfährt, dass sein totgeglaubter kleiner Bruder womöglich noch am Leben ist. Um dem gleich noch einen draufzusetzen, ist Jesse anhand der ersten Indizienlage ein Mordverdächtiger. Doch gilt es nun nicht nur, Jesse zu finden; auch das Mordopfer, das anscheinend ein Doppelleben geführt hat, gibt Rätsel auf.

Mit dieser Eröffnung kommt der Thriller-Zug schon mächtig ins Rollen, und das Geschehen entwickelt eine Dynamik, die sogar noch einige Nebengleise bedient. Spuren führen zu weiteren Verbrechen, aber auch zu weiteren Fragen. Warum hat beispielsweise der pädophile Marozy Jesses Ermordung gestanden? Auch Slades Tätigkeit als Leiter eines Heims für obdachlose Jugendliche und ein perfider Entführer schlagen reichlich Wellen, die auch die Clique erfassen. Und haben damals wirklich alle Beteiligten die Wahrheit über den Tag von Jesses Verschwinden gesagt? Ein mächtiges Geheimnis also und nicht wenige offene Fragen, die ganz gut über mehrere Stunden tragen.

Selbstredend werden einige vorhersehbare Thriller-Standards bedient, wie die Tatsache, dass immer neue Indizien weitere Motive ans Licht bringen und den ‚Schwarzen Peter‘ wandern lassen. Selbst die Hauptfiguren bleiben als Verdächtige nicht verschont. Ebenso dass Mark auf eigene Faust in dem Fall ermittelt und (teils illegale) Wege beschreitet, die Danny als Polizist natürlich offiziell verschlossen sind.

Eine TV-Serie mit 10 mal 45 Minuten Spielzeit bietet darüberhinaus sehr viel Raum, um die Handlung noch ordentlich mit dem Privatleben der Figuren und einigem ‚Drumherum‘ aufzufüttern. So ergibt sich neben der Thriller-Handlung noch eine mitreißende Figurendynamik, und es entstehen abseits der zentralen Frage, ob Jesse noch am Leben ist, zusätzliche Spannungsfelder. Zwar werden einige Nebelkerzen gezündet, der Zuschauer wird vorsätzlich an der Nase herumgeführt, und so manche Handlungsschleife bringt die Story nicht weiter, doch verbleibt dank der wendungs- und überraschungsreichen Story und der gut gezeichneten Charaktere ein positiver Gesamteindruck.

Die Auflösung kommt überraschend und doch stimmig, obgleich für das Funktionieren des Gesamtkonstrukts der Zufall eine sehr große Rolle spielt. In der Abschlussfolge werden alle Puzzle-Steine zusammengefügt. Man erfährt, was damals wirklich im Park passiert ist, indem bereits bekannte Teilhandlungen und -aussagen in die richtige Reihenfolge gebracht und zu einem Ganzen zusammenführt werden.

Sehr gut gefällt auch die homogene Optik der Serie; bei allen Folgen führte Mark Tonderai („House at the End of the Street“, „Hush“) Regie, der die Handlung in schicker Videoclip-Ästhetik ablichtet, inklusive der Platzierung einiger ganz cooler Songs, die die Stimmung sehr gut verstärken. Zugegeben gibt es noch einige optische Mätzchen und bedeutungsvoll aufgeblasene Szenen (Zeitlupenaufnahmen, Flashbacks in die Kindheit der Figuren), für die keine dramaturgische Notwendigkeit besteht. In Sachen Pathos hätte sich Mark Tonderai gerne etwas zurücknehmen und sich mehr auf seinen Cast und die Story verlassen dürfen.

Die Besetzung funktioniert sehr gut, die Hauptdarsteller agieren durchweg überzeugend, einzeln wie auch als Clique. Die Nebendarsteller (Eltern, Kollegen, Ehepartner) gefallen ebenfalls in ihren Rollen. Eine wirkliche Überraschung ist Lee Ingleby, der schon optisch an einen jungen Gary Oldman erinnert und als Slade den interessantesten, weil unberechenbarsten Charakter authentisch verkörpert.

„The Five“ ist eine dichte und gut gespielte Thriller-Serie in Videoclip-Optik, die den Zuschauer mit immer neuen Wendungen bei der Stange hält.