Ilona Andrews: Magische Begegnung – Land der Schatten 1 (Buch)
- Details
- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 01. Dezember 2010 20:31
Ilona Andrews
Magische Begegnung
Land der Schatten 1
(On the Edge, 2009)
Aus dem Amerikanischen von Ralf Schmitz
Titelgestaltung von HildenDesign unter Verwendung eines Fotos von Patricia Malina/Shutterstock
Lyx, 2010, Taschenbuch mit Klappenbroschur, 434 Seiten (plus 11 Seiten Leseprobe aus „Die Nacht der Magie – Stadt der Finsternis 1“ von Ilona Andrews), 9,95 EUR, ISBN 978-3-8025-8345-2
Von Irene Salzmann
Zwischen der ‚normalen‘ Welt, dem Broken, und der der Magie, dem Weird, gibt es einen Übergangsbereich: das Edge. Hier haben sich überwiegend Menschen und Mischlinge niedergelassen, die von beiden Bereichen wissen und magische Fähigkeiten besitzen, aber vor dem Problem stehen, sich auf der einen Seite mangels echter Papiere keine Existenz aufbauen zu können und auf der anderen von den ‚Reinblütern‘ diskriminiert zu werden.
Rose Drayton lebt im Edge. Bis auf ihre exzentrische Großmutter und zwei jüngere Brüder hat sie jeden Menschen verloren, der ihr teuer war. Um Georgie, einem Nekromanten, und Jack, einem Wer-Luchs, ein besseres Leben zu ermöglichen, als es sie selber hatte und hat, nimmt sie Vieles auf sich: Der Job im Broken als unterbezahlte Reinigungskraft ist hart und der Chef ein Mistkerl, der die Situation der Edger ausnutzt. Aber es kommt noch schlimmer: Der mächtige Adlige Declan wirbt um Rose, und sie kann ihm lediglich drei Prüfungen abringen, um ihm nicht sofort folgen zu müssen. Tatsächlich ist sie sehr begehrt, denn sie vermag starke Blitze zu schleudern – eine Gabe, die so mancher Reinblüter und Edger gern an seine Nachkommen vererben würde. Das ist aber nur der Anfang, denn bizarre Monster tauchen im Edge auf. Weder Mensch noch Tier ist vor ihnen sicher. Obwohl sie ihm misstraut, hat Rose keine andere Wahl, als Declans Hilfe anzunehmen, um ihre Angehörigen und Nachbarn vor einem skrupellosen Feind zu schützen, der alle Welten erobern will ...
Wer dachte, „Magische Begegnungen“ wäre wieder eine von diesen seichten Paranormal Romances, in denen es vor allem um das Hin und Her der verliebten Hauptfiguren geht, während die eigentliche Handlung kaum mehr als ein dünnes Gerüst ist, wird angenehm überrascht. Ilona Andrews alias Ilona und Andrew Gordon haben mit der Serie „Land der Schatten“ nach „Stadt der Finsternis“ eine weitere Urban-Fantasy-Reihe geschaffen, die durch einen spannenden Plot und interessante, kauzige Charaktere bestens zu unterhalten weiß. Das Setting ist reizvoll und bis ins kleinste Detail durchdacht. Nach und nach erfährt man, nach welchen Regeln das Leben im Edge funktioniert, mit welchen Einschränkungen und Vorteilen sich seine Bewohner gegenüber denen des Broken beziehungsweise des Weird arrangieren müssen. Die Story spielt überwiegend im Edge und im Broken, so dass die Mysterien des Weird für spätere Romane aufgespart wurden.
Rose Drayton ist eine selbstbewusste, starke Frau wie Kate Daniels (aus „Stadt der Finsternis“), und Declan weist durchaus Parallelen zu seinem Pendant, dem Gestaltwandler Curran, auf. Sie alle stehen mit beiden Beinen fest im Leben und finden auch in nahezu ausweglosen Situationen eine Lösung nicht nur durch Magie, sondern vor allem durch kluge Planung und wertvolle Bündnisse, wobei sie sich nicht scheuen, Risiken einzugehen, um jene zu schützen, die sie lieben. Auch die Nebenfiguren haben ihre Handlungsanteile und füllen ihre Rollen gelungen aus. Roses Brüder sind nicht einfach nur nervige Kinder, sondern Persönlichkeiten, mit denen man rechnen muss. William ist mehr als nur ein Klischee-Rivale für Declan um Roses Gunst und hütet allerlei Geheimnisse. Roses Nachbarschaft ist vielschichtig – schrullig bis ekelhaft –, und einige springen, als es notwendig wird, sogar über ihren Schatten.
Natürlich gibt es eine Romanze, aber diese läuft unaufdringlich neben der packenden Story, sorgt hin und wieder für hitzig-witzige Wortwechsel und zusätzliche Würze. Genauso wie Kate Curran immer wieder Paroli bietet, weiß sich auch Rose gegen Declan zu behaupten und ist keine Pseudo-Amazone, die in den Armen eines Machos sofort zum hirn- und harmlosen Heimchen am Herde mutiert. Tatsächlich hat sich Rose, die nur schlechte Erfahrungen sammelte, bei ihrer Einschätzung von Declan geirrt und erlebt zum Ende hin eine große Überraschung, welche die Situation verändert und die Weichen für die kommenden Bände stellt. Im Vordergrund stehen jedoch die Schilderungen des Lebens im Edge und des Kampfes gegen einen praktisch übermächtigen Angreifer, der den typischen Bösewicht teils ernsthaft verkörpert, ihn teils aber auch parodiert. Immer wieder gibt es kleine Höhepunkte und Wendungen, die man so nicht erwartet hätte, und schließlich einen überzeugenden Showdown.
Hardcore-Fantasy-Leser beiderlei Geschlechts, die sich wenig aus der momentan beliebten romantischen Spielart machen, kommen genauso auf ihre Kosten wie die Anhänger der Paranormal Romances, wenngleich die entsprechenden Szenen wohl dosiert und weniger ausschweifend und deftig beschrieben sind als in vielen anderen Romanen. Von daher möchte man „Land der Schatten“, die neue Reihe von Ilona Andrews, allen ans Herz legen, die bereits „Stadt der Finsternis“ mit Begeisterung lasen oder Serien wie Seanan McGuires „October Daye“, Richelle Meads „Dark Swan“ oder Lilith Saint Crows „Dante Valentine“ schätzen.