Rhys Bowen: Cottage mit Mord - Ein Fall für Constable Evans 8 (Buch)

Rhys Bowen
Cottage mit Mord
Ein Fall für Constable Evans 8
(Evan’s Gate, 2004)
Übersetzung: Lennart Janson
dp Verlag, 2019 eBook, 4,99 EUR

Rezension von Elmar Huber

„Er bückte sich und kratzte Erde von dem Rohr, das er für die Wasserleitung hielt. Zu seinem Entsetzen ließ sich das Stück bewegen und löste sich unter seiner Berührung. Er stand da und hielt einen langen, dünnen Knochen in der Hand. Vorsichtiges Graben legte weitere Knochen frei. Das könnte alles möglich sein, sagte er sich - ein verstorbenes Schaf, vielleicht sogar der Lieblingshund eines Schäfers. Dann stieß er auf einen Schuh.“

Evan Evans neuer Fall beginnt auf dem Campingplatz Black Rock Sands, von wo die fünfjährige Ashley Sholokhov verschwunden ist, ohne die geringste Spur zu hinterlassen. Die Ausführungen der Mutter machen den von ihr getrenntlebenden Kindsvater verdächtig, einen Russen, der sich mit der russischen Mafia angelegt hat. Evans dagegen wird durch die überstürzte Abreise eines jungen deutschen Pärchens vom Campingplatz stutzig. Zudem erfährt der frischgebackene Detective Constable, dass Ashley eine der jüngsten Empfängerinnen eines Spenderherzens war und ohne Medikamente nicht lange überleben würde.

Zu allem Überfluss findet Evans bei Renovierungsvorbereitungen an seinem zukünftigen Heim, einem alten Schäfer-Cottage, die Knochen eines Kindes, das etliche Jahre zuvor dort vergraben wurde. Seine Befürchtungen bestätigen sich, nachdem das Skelett als das seiner Kindheitsfreundin Sarah Thomas identifiziert wird. Als Kind war die Enkelin von Evans ehemaligem Nachbarn, Tomos Thomas, mit ihren Geschwistern regelmäßig bei ihrem Großvater zum Ferienaufenthalt.

Wie Ashley ist auch Sarah damals, 25 Jahre zuvor, auf Nimmerwiedersehen verschwunden. Ist es ein Zufall, dass ausgerechnet jetzt die ganze Familie Thomas erneut vor Ort ist, um den 80. Geburtstag von Tomos Thomas zu feiern?

„„Sie wollen sagen, dass jemand ein kleines Kind entführt, es umgebracht und die Leiche dann hier hinter dem Tor zum Cottage vergraben hat? Warum sollte man das tun, wenn man sich hier in den Bergen jeden beliebigen Ort aussuchen kann? Schauen Sie mal da oben. Zahllose Möglichkeiten, dort ein Grab anzulegen, wo es niemals jemand finden würde. Nein, es gibt einen Grund dafür, dass das Skelett hier liegt.““


Der achte Fall von Evan Evans, inzwischen als Zivilfahnder unterwegs, konfrontiert den Detective Constable mit seiner eigenen Vergangenheit. Mitglieder der Familie Thomas, die Evans als Kind gekannt hat, stehen plötzlich im Verdacht, nicht nur ihre eigene Schwester ermordet zu haben, sondern auch für das aktuelle Verschwinden eines kleinen Mädchens verantwortlich zu sein.

Zwar klärt sich am Ende alles vergleichsweise harmlos auf, auch dank Kommissar Zufall, doch ist der Weg dorthin sehr gelungen arrangiert. Dabei lebt der Roman von der Verquickung der Vergangenheit und der Gegenwart; immer wieder sind Rückblicke eingebaut, wie Evans die Thomas-Kinder kennengelernt, an ihren Spielen teilgenommen und sich ein wenig in die bezaubernde Sarah verknallt hat, die mehr daran interessiert war, Elfen zu finden als an den Eroberungsspielen ihrer Geschwister. Entsprechend ist der Ermittler emotional gefordert, der schon fast zwangsläufig eine Verbindung zu dem aktuellen Fall ‚Ashley Sholokhov‘ sieht. Höhepunkt ist dabei natürlich die offizielle Befragung seiner ehemaligen Spielgefährten, die sich nun plötzlich als Erwachsene, aus verschiedenen sozialen Schichten, gegenüberstehen.

Neben der Schilderung des Kriminalfalls nimmt sich Autorin Rhys Bowen auch Zeit, die einzelnen Mitglieder der Familie Thomas vorzustellen und eindringlich deutlich zu machen, wie Sarahs nie geklärtes Verschwinden die Leben der verbliebenen Geschwister und ihr Verhältnis zueinander ein Leben lang geprägt hat. Eine Facette, die „Cottage mit Mord“ zu mehr macht, als ‚nur‘ zu einem Krimi.

Über den Fall hinaus gefällt der Roman wieder durch die gut gezeichneten Figuren, von denen besonders die Stammbesetzung der Reihe inzwischen wie alte Bekannte anmuten. Rhys Bowen findet ein sehr angenehmes Gleichgewicht zwischen Evan Evans' Ermittlungsarbeit und seinem Privatleben.

„Cottage mit Mord“ ist erneut ein rundum gelungener Krimi aus der „Evan Evans“-Reihe, der durch das eingeflochtene Familiendrama eine weitere, außergewöhnliche Ebene erhält.