Roshani Chokshi: Die bronzenen Bestien (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Montag, 21. März 2022 09:17

Roshani Chokshi
Die bronzenen Bestien
(The Bronzed Beasts, 2021)
Übersetzung: Hanna Christine Fliedner & Jennifer Thomas
Titelbild: Kerri Renick
Arctis, 2022, Hardcover, 424 Seiten, 20,00 EUR (auch als eBook erhältlich)
Rezension von Carsten Kuhr
Wir befinden uns im Europa des Jahres 1889. Im Schatten der Weltausstellung ging der Lebemann, Mäzen und Bohèmien Séverin Montagnet-Alarie seiner Passion nach - die Relikte des Ordens von Babel, mit denen Magie geschmiedet werden kann, den diese hütenden Familien zu entreißen.
Ging, oder sollte ich nicht zutreffender sagen wollte? Denn dieses Mal geht die Vendetta Séverins gegen die verbleibenden Familien, die die Relikte des Turms zu Babel horten und hüten, anders aus, als bislang. Sein geliebter Bruder wurde getötet, die Spur der göttlichen Lyra, mit deren Hilfe alles möglich sein soll, führten ihn und seine Verbündeten weit nach Osten, nach Sibirien.
Gefahren trotzend, Verrat begegnend muss Séverin sich entscheiden: lässt er seine Freunde, des Zieles wegen zurück, ja bringt er diese um, um so das Vertrauen Ruslans zu ergattern und sich schlussendlich mit diesem zusammen zu einem Gott aufzuschwingen, oder steht er zu seinen Freunden?
Er versucht den Spagat, täuscht vor, seine Verbündeten getötet zu haben, lässt diese zurück.
Beide Parteien zieht es in die Lagunenstadt. Hier, inmitten der Nekropole Venedigs, soll der Zugang zu einer magischen Karte zu finden sein, die allein das Ziel in erreichbare Entfernung rückt. Sie müssen, wie auch immer, ihr Ziel erreichen, denn für eine von ihnen, für Laila, zählt der Ring die ihr verbleibenden Lebenstage unerbittlich herunter…
Was waren das für zwei tolle Bücher, die den Auftakt der „Goldene Löwe“-Trilogie boten. Die Welt der Belle Époche mit ihren Bohèmiens nahm plastisch Gestalt an, eine ganz andere Kulisse erwartete die Leserinnen und Leser und darin Figuren und Magie, wie man sie bis dato noch nicht gelesen hatte.
Die Frage war, ob und wie die Verfasserin ihren Plot im abschließenden Band zu einem in sich logischen, befriedigenden Ende bringen würde.
Nun, leider konnte mich der Roman - insbesondere in dessen erster Hälfte - lange nicht so faszinieren, wie die beiden vorhergehenden Titel. Die Handlung plätschert zu Beginn in Venedig ein wenig vor sich hin, die Trennung der Freunde von ihrem charismatischen Anführer bleibt weitgehend ungenutzt, die Figuren entwickeln sich hier kaum weiter. Selbst Séverin, de facto gefangengehalten von seinem Widersacher, kann uns nicht mehr in dem Maße an die Seiten bannen, wie dies früher der Fall war. Der Esprit, das Tempo und die Faszination - perdu.
Doch dann, als hätte die Autorin meine Worte gehört, zieht eben jenes Tempo an, werden neue Fährnisse und Geheimnisse in den Plot integriert, nimmt die Spannung zu. Plötzlich hatte Chokshi mich wieder an ihrem Haken, blätterte ich die Seiten ungeduldig um, wollte wissen, wie es weitergeht, wie der gordische Knoten vielleicht doch durchschlagen werden kann. Das Finale lässt dann eigentlich keine Wünsche offen, auch wenn es sentimental - aber eben auch einfühlsam - beschrieben wird.
So bleibt mir die Erinnerung an zwei wirklich andere, tolle Romane und einen dritten Abschlussband, der zu Beginn ein wenig schwächelt, dann aber die Handlung atmosphärisch dicht und stilistisch ansprechend zu einem letztlich befriedigenden Ende führt.