Markus Kastenholz (Hrsg.): Blutgrütze - Unappetliche Geschichten 5 (Buch)

Markus Kastenholz (Hrsg.)
Blutgrütze - Unappetliche Geschichten 5
Titelbild: Azrael ap Cwanderay
Hammer Boox, 2019, eBook, 4,99 EUR (auch als Taschenbuch erhältlich)

Rezension von Elmar Huber

„Die Beine gespreizt, hatte sie ihn in sich aufgenommen, während er mit einer Knochensäge ihren Brustkorb geöffnet und ihr Herz freigelegt hatte. Der Moment, als Luzius ihr Herz aus der Brust gehoben hatte, hatte Susi den heftigsten Orgasmus beschert, den sie je erlebt hatte. Danach war sie in den komatösen Zustand gefallen, aus dem sie erst vor wenigen Minuten zu sich gekommen war. Kein Traum, alles echt.“ (Lothar Nietsch: „Susis Herz“)

Vertigo Stray Cat: „Das Vermächtnis der Katzenaugen“
Am ersten Todestag ihres Vaters hat Agnes für ihren Bruder Marius einige ganz besondere Überraschungen vorbereitet, die ihn am Ende das Leben kosten. Jahre später überredet Zadiah ihren Freund Benji in eindeutiger Absicht zu einem Waldspaziergang, in der Hoffnung, dass der schüchterne junge Mann in der Natur etwas lockerer wird. Als sie auf eine Waldhütte und ihre merkwürdige Bewohnerin treffen, läuft alles komplett aus dem Ruder.

Lothar Nietsch: „Susis Herz“
Nach einer Nacht, in der der Fremde sie von einem Orgasmus zum nächsten treibt, wacht Susi an einem unbekannten Ort auf, unfähig, sich zu bewegen, vor Augen ihr Herz, außerhalb ihres Körpers und nur noch durch die Adern mit ihr verbunden.

Mathias Ramtke: „Der Gott der Verfressenen“
Die Zeit mit Elias in seinem abgelegenen Haus erscheint Amelié wie ein Traum. Dazu Elias, der jedes Gramm ihrer viel zu üppigen Figur liebt und alles tut, ihre Rundungen zu vermehren. Dann kommt ihr großer Abend, und Amelié erfährt endlich, was sich im Keller des Hauses befindet.

Marcel Hill: „Dämon“
Das Motorrad vor der Tankstelle klauen zu wollen, war nicht Tobys cleverste Idee. Im Affekt überwältigt ihn der Biker, scheint dann aber ein Einsehen zu haben, als er die traurige Gestalt vor sich sieht. Im Clubhaus soll der Kleine erst mal wieder zu Kräften kommen, denn die Gang ist noch lange nicht mit Floyd fertig.

Georg Bruckmann: „Kommt ein Mann in eine Bar...“
...und gibt einem armen Teufel, der von seiner Frau betrogen wurde, einige Drinks aus. Der Fremde erzählt von seinem Leben als Vertreter und dass ihm ebenfalls schon Hörner aufgesetzt wurden. Dann heißt es durchgreifen, sich den Respekt verschaffen, den man verdient hat.

Doris E. M. Bulenda: „Ganz besonderes Blut“
Auf einer Horrorparty schleppt der ‚Vampir‘ Draco seine ‚Blutprinzessin‘ ab. Gerade will sie ihn vom Äußersten abhalten, von wegen ihrer heftigen Monatsblutung, da gibt es für den Blutsauger kein Halten mehr. Er berauscht sich förmlich an ihrem besonderen Saft. Langsam wird sie neugierig und bringt ihren Liebhaber ebenfalls zum Bluten, bis er sich nicht mehr rührt. Die Blutprinzessin hat Geschmack gefunden, und sie beginnt, dieses besondere Aroma bei anderen Männern zu suchen.

Savannah Vincent: „Mommy's Boy“
Henry ist ein guter Junge, der seiner Mutter Martha jeden Wunsch erfüllt. Als ihr der Sinn nach einer neuen Jacke steht, geht er wieder los. In der Stadt muss er ein Mädchen aussuchen, etwas größer und kräftiger als Martha und mit makelloser Haut. Das ist es, was ein guter Sohn tut. Und auch er selber soll auf seine Kosten kommen.

Markus Kastenholz: „Hinter einer blauen Tür“
Anna war extra den weiten Weg von Lübeck nach Eger gekommen, um endlich Gewissheit zu haben, was ihrem Bruder Erwin zugestoßen ist. Dort sitzt sie nun, im Gerichtskeller vor dem Tagebuch seines Mörders und liest, was mit Erwin passiert ist. Damals, kurz nach dem Krieg, durfte man nicht zimperlich sein, wenn man überleben und essen wollte.

John Aysa: „Master and Fucking Commander”
Im buchstäblich letzten Moment findet der Suchtrupp den verschwundenen Jungen, bevor dieser von einer unsichtbaren Macht regelrecht zerfetzt wird. Plötzlich sieht sich die komplette Gruppe von einem unbekannten Gegner verfolgt, der auf verschiedene Arten tötet.

Alisha Godoy: „Viktors Destiny“
Einige Wochen, nachdem Viktor mit ihr Schluss gemacht hat, meldet sich June aus Sorge bei Tina, seiner Neuen. Sie erfährt, dass der selbstherrliche Scheißkerl bei ihr die gleiche Nummer abgezogen hat. Erniedrigen, manipulieren, terrorisieren. So entwickeln die beiden Frauen einen Plan, ihn bei seinem übersteigerten Ego zu packen und ihn büßen zu lassen.

Ralf Kor: „Haut“
Jeffreys hat sein Auskommen, indem er Spar- und Versicherungsverträge zu horrenden Gebühren an senile Rentner verkauft. Da ist sein Zusammentreffen mit der scharfen Altenpflegerin Tessa doch ein Wink des Schicksals. Pünktlich öffnet sie ihm das Tor der exklusiven Altenresidenz, doch von den Alten ist scheinbar keiner richtig bei Verstand, geschweige denn in der Lage, eine Unterschrift zu leisten. Nur eine der Rentnerinnen scheint noch beisammen zu sein, doch die hat andere Pläne mit Jeffrey.

Andreas Laufhütte: „Der goldene Reiter“
Als Gruppenleiter Derek bemerkt, dass die Gruselgeschichte vom Goldenen Reiter doch etwas zu heftig ist für die jungen Wölflinge, ist es schon zu spät. Dank seiner großen Klappe ist er jetzt mit zwölf verängstigten Kindern allein im nächtlichen Wald. Zwölf Opfer für den Reiter.

„Unter Wolfs Füßen explodierte eine Fontäne aus Erde, schleuderte ihn in die Höhe. Als er zurück auf den Boden fiel, schnellten haardünne, peitschenartige Fäden daraus hervor, wickelten sich um ihn und hatten ihn schneller in die Tiefe gezogen, als der Mann einen Schrei ausstoßen konnte. Es dauerte nur Sekunden, dann schoss ein Geysir aus Fleisch und Blut aus dem Boden.“ (John Aysa: „Master and Fucking Commander”)


Nach einer mittellangen Durststrecke von etwa zwei Jahren geht es heuer mit der „Grütze“ in Markus Kastenholz‘ neuem Verlag Hammer Boox weiter. Immerhin hält man jetzt schon Nummer 5 in Händen, was doch für eine treue Fangemeinde und ausreichend Nachschub an „unappetitlichen Geschichten“, so der Untertitel der Reihe, spricht. Das Äußere wurde ganz leicht modifiziert, das Coverbild reicht nun bis zum unteren Buchrand, der Untertitel ist nach oben gerutscht, und natürlich ist nun das Hammer Boox-Logo auf dem Cover zu sehen.

Auch storytechnisch meint man, den neuen Schwung zu spüren. Schon der Opener, „Das Vermächtnis der Katzenaugen“, überzeugt durch seine Unvorhersehbarkeit und einen kuriosen Märchen-Touch. Zwar gibt es auch einige weniger phantasievolle beziehungsweise leicht vorhersehbare Beiträge (wer „Das Schweigen der Lämmer“ gesehen oder die Vorlage gelesen hat, kommt nach drei Zeilen auf die Pointe von „Mommy‘s Boy“), doch haben die meisten Geschichten einige unerwartete Richtungswechsel im Gepäck, die sie auch unabhängig vom Blutgehalt interessant machen. Experimentell wird es gar mit David Heines lyrischem 4-Seiter „Fotzenfilet“.

Persönliche Favoriten sind neben den „Katzenaugen“ Markus Kastenholz‘ eigener Beitrag, wegen der greifbar bedrückenden Nachkriegsstimmung, und John Aysas surrealer SF-Splatter-Albtraum. Auch Ralf Kor und Andreas Laufhütte sind in der engeren Wahl um die vorderen Plätze, doch das sind nur die ganz privaten Vorlieben.

Selbst wer kein ausgesprochener Gorehound ist, wird mehr als ausreichend zum Weiterlesen animiert. Insgesamt muss man „Blutgrütze - Unappetitliche Geschichten 5 ein anerkennendes „Gelungen“ vergeben.