Jeffrey Thomas: Father Venn (Buch)

Jeffrey Thomas
Father Venn
(The Red Spectacles,1995)
Übersetzung: Fabian Dellemann
Wandler, 2022, Hardcover, 142 Seiten, 16,00 EUR

Rezension von Carsten Kuhr

Einst, so lange ist es noch gar nicht her, war Father Venn Priester der Kathedrale in Candleton. Als diese niederbrannte, endete er zerquetscht unter einer Tonne Steine und damit auch sein Leben - allein, sein Dasein währte fort. Warum Gott ihn als gläubigen Katholiken auf Erden wandeln lässt, seine toten Augen hinter einer aus rotem Fensterglas seiner zerstörten Kathedrale verborgen, das weiß zunächst allein der Herr im Himmel.

Auf seiner Wanderung durch das ländliche England des Jahres 1883 trifft er in einer wandernden Kuriositäten-Show auf den Schädel eines in einem Einweckglas konservierten Schafskopfes ohne Augen. Durch seine Brille aber blickt er direkt in rot-lodernde Augen, die ihn scheinbar aus der brennenden Hölle anschauen.

Er muss wissen, wo dieser von einem Dämon besessene Schafskopf herkommt, ob dies vielleicht gar mit der Zerstörung seiner Kirche zusammenhängt. So macht er sich auf in Richtung seiner alten Heimstätte - nicht ahnend, dass dort das Böse bereits auf ihn wartet.


Wir kennen und schätzen Jeffrey Thomas als Autor der legendären Punktown-Geschichten. Diese, im Festa Verlag erschienen, erzielen aufgrund ihres Kul-Status’ in den letzten Jahren Phantasiepreise von mehreren hundert EUR je Taschenbuch; das limitierte Hardcover taucht schlicht nie im Angebot auf. Umso erfreuter war ich, als ich feststellen durfte, dass der Wandler Verlag uns einen kleinen, wohlfeilen Band mit zwei inhaltlich zusammenhängenden Geschichten Thomas’ kredenzt.

Statt in eine futuristische Stadt geht es vorliegend auf den Spuren von Thomas Hardy ins historische Dorset des viktorianischen Englands.

Uns erwartet eine Geistergeschichte klassischer Prägung, eine kleine, stimmungsvolle Geschichte eines katholischen Geistlichen, den Gott auf Erden zurücklässt und der sich fragt, warum sein Herr dies tut. Eine gehörige Portion religiösen Zweifels scheint immer wieder durch, dazu gesellt sich das sorgfältig recherchierte Bild der herrschenden anglikanischen Kirche in England, die erst durch die massive Einwanderung der Iren wieder Konkurrenz durch die lange verbotenen Kollegen im Dienste Roms bekam.

Unser Erzähler, Father Venn, ist nicht nur ein rechter Zweifler am Herren, er ist auch ein mutiger Toter. Ohne zu zögern forscht er nach Erkenntnissen, sucht dann die Konfrontation mit dem Bösen und versucht dieses im direkten Kontakt zu bannen. Das hat alles, was eine klassische Geistergeschichte braucht - Besessenheit, finstere Dämonen und Beschwörungen, einen ängstlichen, dann über sich hinauswachsenden Protagonisten und sehr viel ländliches Flair.

In Verbindung mit den sehr stimmigen Schwarzweiß-Illustrationen erwartet so ein klein-oktaves Büchlein den interessierten Leser, das ihn für einige Zeit den Alltag vergessen, wohlig gruseln lässt und bestens unterhält.