John Burdett: Der buddhistische Mönch – Sonchai Jitpleecheep 3 (Buch)

John Burdett
Der buddhistische Mönch
Sonchai Jitpleecheep 3
(Bangkok Haunts, 2007)
Aus dem Englischen von Sonja Hauser
Titelgestaltung von semper smile unter Verwendung einer Abbildung von Jochen van Eden/buchcover.com und Picsfive/iStockphoto
Piper, 2010, Taschenbuch, 398 Seiten, 8,95 EUR, ISBN 978-3-492-25746-5

Von Irene Salzmann

Dem Bangkoker Polizist Sonchai Jitpleecheep wird anonym ein Snuff Video zugespielt. Zu seinem Entsetzen muss er beobachten, wie am Ende des Pornos eine schöne junge Frau mit einem Seil erdrosselt wird. Bei ihr handelt es sich ausgerechnet um seine Ex-Geliebte Damrong, eine begehrte Prostituierte, die sich nahezu jeden Mann mit einem Fingerschnippen hörig machen konnte.

Sonchai beginnt zu ermitteln, denn wenn er nicht herausfindet, warum Damrong sterben musste, wird ihr Geist ihn vielleicht nie in Ruhe lassen. Allerdings verliert er die Unterstützung seines Vorgesetzten Colonel Vikorn, als die Nachforschungen ergeben, dass einflussreiche Persönlichkeiten involviert sind, die vor nichts zurückschrecken. Falls sich Sonchai nicht auf die arrangierte Lösung einlässt, will Vikorn ihn opfern, um selber mit heiler Haut aus der Angelegenheit herauszukommen. Trotzdem gibt Sonchai nicht auf und wird in ein abgelegenes Dorf verschleppt, wo mit einigen Männern, die Damrongs Leben beeinflussten, abgerechnet werden soll. Endlich erkennt der Polizist die Zusammenhänge und den Initiator des brutalen Racheplans...

Der Brite John Burdett, Jahrgang 51, arbeitete 12 Jahre als Anwalt in Hongkong, bevor er Autor von Kriminalgeschichten wurde. Inzwischen lebt er einen Teil des Jahres in Frankreich, den anderen verbringt er in Thailand, wobei er in den Bangkokern Rotlicht-Bezirken intensive Milieu-Studien betreibt. Seine Erfahrungen lässt er in seine „Sonchai Jitpleecheep“-Romane einfließen, von denen es derzeit vier Stück gibt, die unabhängig voneinander gelesen werden können.

Wer bei Thailand an das märchenhafte Reich des „Königs von Siam“, an prachtvolle Tempel, eine exotische Flora und Fauna, traumhafte Strände, anmutige Frauen und höfliche Männer in bunter Landestracht denkt, wird von dem Autor mit einer Realität konfrontiert, die bei Weitem alles übertrifft, was man lieber an hässlichen Fakten ausblenden möchte: Umweltverschmutzung, Arbeitslosigkeit, Drogenhandel, Prostitution, Korruption, Ausbeutung und eine wenig schmeichelhafte Sichtweise der Ausländer, insbesondere der Menschen aus dem Westen.

Das sind auch die Themen, die in „Der buddhistische Mönch“ verarbeitet werden. John Burdett schildert die Geschehnisse aus der Sicht seiner Hauptfigur und lässt sie den Leser sogar direkt ansprechen. Sonchai erklärt und kommentiert aus der Perspektive eines Mischlings, der durch sein Thai-Erbe die Kultur seiner Heimat versteht, durch seinen amerikanischen Vater und häufige Aufenthalte in Europa und den USA aber auch eine gewisse Toleranz gegenüber der westlichen Denkweise entwickeln konnte und vergleicht, um Übereinstimmungen und vor allem Gegensätze aufzuzeigen. Nicht selten kollidieren diese beiden Welten in ihm, wenn er sich einerseits den Notwendigkeiten fügen und Dinge tun muss, die er aus moralischen Gründen ablehnt, andererseits die gängigen Regeln der Thai-Gesellschaft für sich aufweicht, weil er korrekt handeln will. So arbeitet er beispielsweise als Polizist, betreibt aber zusammen mit seiner Mutter einen Nachtclub, ist de facto ein Zuhälter. Auch Vikorn bricht die Gesetze, die er eigentlich schützen sollte, indem er als Erpresser, Drogendealer und Produzent von Pornofilmen aktiv ist. Diese scheinbaren Widersprüche gehören zum Leben – zum Überleben – der Thais. Die wenigsten erhalten Löhne, die ausreichen, um sich und die Familie zu versorgen; lediglich eine Minderheit genießt westlichen Wohlstand. Oft haben Frauen und Männer gar keine andere Wahl, als sich zu prostituieren, mit Drogen zu handeln oder ähnliches. Sie akzeptieren die Notwendigkeiten und arrangieren sich, während man im Westen durchaus ähnliche Missstände kennt, sie jedoch ausblendet, bemäntelt oder sogar verleugnet bzw. verfolgt und hart bestraft.

Wie schwer es Menschen aus dem Westen fällt, sich in die Denk- und Lebensweise der Thai zu versetzen, veranschaulicht der Autor durch einige Ausländer, mit denen es Sonchai zu tun bekommt, allen voran die FBI-Agentin Kimberley Jones, die ihn bei seinen Ermittlungen unterstützt und ein freundschaftliches Verhältnis zu ihm aufbauen konnte. Besonders deutlich wird die kulturelle Distanz durch Kimberleys mangelndes Verständnis für den Wunsch eines Transsexuellen nach einer Geschlechtswandlung und ihre Skepsis gegenüber dem Geisterglauben ausgedrückt.

Wie Kimberley fühlen sich auch die Leser angesichts mancher Verhaltensweisen und Entwicklungen befremdet. Gerade der Religiosität und dem Glaube an Geister, dem hier eine besonders wichtige Rolle zukommt, da er letztlich zur Aufklärung des Falles führt, begegnet man mit Zweifeln. Ob man nun wie Sonchai die komplizierten Vorkommnisse durch Geister erklären möchte oder eine rationale Deutung bevorzugt, bleibt jedem selbst überlassen. Nichtsdestotrotz wird ein Hauch Mystery beziehungsweise Esoterik in die Handlung getragen, was zusammen mit dem exotischen Setting und der Milieu-Studie, die nichts beschönigt, dem Roman eine eigentümliche, originäre Atmosphäre verleiht. Man wird wirklich in eine fremde Welt hinein gezogen, die man nicht einmal andeutungsweise begreift. Genau das führt der Autor seinem Publikum vor Augen durch die ironisch-philosophischen Kommentare seines Protagonisten, der durchaus wertet und nicht verhehlt, dass die Ausländer in den Augen der Thais unwissende, ungehobelte Barbaren sind. Die Sprache ist zeitgenössisch, die Figuren nehmen kein Blatt vor den Mund und nennen die Dinge beim Namen. Wenn es um Sex geht, kann die Wortwahl recht deftig und vulgär ausfallen.

„Der buddhistische Mönch“ ist weit mehr als ein Krimi, der mit mehreren kräftigen Prisen Esoterik und Erotik gewürzt wurde. John Burdett ist eine faszinierende und zugleich bedrückende Milieu-Studie gelungen, die nicht nur für spannende Unterhaltung sorgt, sondern den Leser nachdenklich zurück lässt, da er nun eine vage Ahnung davon hat, wie das wahre Thailand aussieht und wie seine Bewohner dem Westen gegenüberstehen, der ihnen nicht nur – in einem begrenzten Maß – den Fortschritt sondern auch viele neue Probleme brachte.