Marcel Hill (Hrsg.): 13 Gifts of Lady Santa (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Donnerstag, 10. Februar 2022 14:14

Marcel Hill (Hrsg.)
13 Gifts of Lady Santa
Hammer Boox, 2019, eBook, 4,99 EUR (auch als Taschenbuch erhältlich)
Rezension von Elmar Huber
„Christa erhob sich mühsam von ihrem Stuhl und trottete ganz gelassen ins Wohnzimmer. Dort lag ihr Handy. Sie wählte den Notruf und erzählte kalt und knapp, dass eine Familienfeier ein wenig außer Kontrolle geraten war. Sie bräuchten hier dringend einen Krankenwagen, nein, besser zwei, korrigierte sie sich, als aus dem Esszimmer ein weiterer Schrei ertönte. Und die Polizei würden sie wohl auch brauchen. Sie gab die Adresse durch und ließ sich erschöpft in einen Sessel fallen.“ (Doris E. M. Bulenda: „Der Truthahn und die Suppe“)
Ralf Kor: „Peccatum Mortiferum“
Sogar am Weihnachtstag, wenn sich ihre ganze Familie bei ihr einlädt, bleibt alle Arbeit an Anna hängen. Ihr geiziger Vater, ihre alkoholabhängige Mutter, ihre Schwester mit den neuen Titten sitzen gemeinsam mit ihrem untreuen Ehemann und ihren beiden nichtsnutzigen Kindern um den Baum. Doch dieses Jahr hat Anna einen neuen Plan geschmiedet. Jeder wird das passende Geschenk für seine Sünden erhalten.
Nici Hope: „Der Kranz“
Auch noch als seine neue Bekanntschaft den Playboy und Gottesgeschenk an die Frauen ans Bett fesselt, glaubt er zu wissen, was passieren wird und die Situation kontrollieren zu können. Doch das Krampus-Girl hat andere Pläne. Sie bestraft die bösen Buben und verwandelt sie in einen blutigen Adventskranz.
Cassandra Schwartz: „Die Legende von »Poppy« Popwinkle“
Ein unbezahlter Advents-Auftritt der ehemaligen Musik-Wunderkinder The Popwinkles in Bad Krotzingen soll für die Rock-Opas zumindest das nächste Abendessen sichern. Die Unterbringung - mangels freier Zimmer - im Seniorenheim Abendfrieden und das damit verbundene Angebot an allerlei Medikamenten kommt dem dauergeilen „Poppy“ Popwinkle dabei mehr als gelegen.
Azrael ap Cwanderay: „Alter Sack“
Der pubertierende Mark traut seinen Augen kaum, als er vor sich die leichtbekleidete Sexbombe im Elfen-Lack-Outfit erblickt, die ihn gleich zu sich nach Hause mitnimmt. Angeblich benötigt sie Hilfe bei ihrem „Alten Sack“. Was das bedeutet wird Mark zu spät klar.
Doris E. M. Bulenda: „Der Truthahn und die Suppe“
Das weihnachtliche Zusammentreffen der Familie, drei Schwestern nebst Kindern und noch verbliebenen Ehemännern, entwickelt sich zu einem Pulverfass. Emotionen kochen über, ein unappetitlicher Scherz tut seine Wirkung, und der Alkohol besorgt den Rest.
„Alida Gersonde: Jingle Balls“
Bei seinem Job als Weihnachtsmann kann sich der pädophile Paul ungestraft Appetit holen. Freilich darf er es nicht übertreiben und muss zur Befriedigung immer noch das Internet bemühen. Als die kokette ‚Elfe‘ Dren auf seinen Schoß klettert, glaubt er sich am Ziel all seiner Sehnsüchte. Ein tödlicher Irrtum.
Thomas Tippner: „Der Welten Lohn“
Der alte Holzfäller bekommt unerwarteten Besuch von einem Fremden, der eine vage, ungreifbare Erinnerung in ihm auslöst. Die Frau des Alten scheint den Neuankömmling zu kennen. Gemeinsam müssen sie die Dinge in die richtigen Bahnen lenken, damit das Fest stattfinden kann.
David Heine: „Nur der Schneemann war Zeuge“
William, der sich vom verängstigten Jungen zum erfolgreichsten Gigolo der Stadt entwickelt hat, entdeckt plötzlich seinen Geschmack an menschlichem Fleisch, das ihn in einen wahren Rauschzustand versetzt. Vorstadtpärchen Michael und Kate ahnen noch nicht, was auf sie zukommt, als William in ihrem Fenster einen Deko-Schneemann sieht, gleich dem, der früher in seinem eigenen Fenster stand.
Rachel Raven: „Im Namen des Volkes angeklagt: der Weihnachtsmann“
Der Gerichtsprozess gegen den Weihnachtsmann gerät zu einem Medienspektakel sondergleichen. Der alte Mann muss sich für Vergewaltigung, Mord und einige weitere Delikte verantworten. In einer flammenden Rede über die Kommerzialisierung des Weihnachtsfestes und die Undankbarkeit der Menschen legt er die Gründe für sein Handeln dar.
Nici Hope: „Blockhütte“
Zurückgezogen in einer abgelegen Blockhütte hört sie plötzlich die Schritte eines Eindringlings im Stockwerk über ihr. Geistesgegenwärtig kann sie sich mit den Messern aus der Küche bewaffnen. Das alljährlich stattfindende blutige Spiel kann beginnen.
Markus Kastenholz: "S - O - S“
Ausgerechnet am Heiligen Abend, nachdem Axel vor dem alljährlich gleichen Schauspiel zu Hause geflohen ist, machen sich zwei Flachpfeifen über ihn her, klauen ihm die Klamotten und lassen ihn geknebelt in einer alten Bruchbude zurück. Von der anderen Seite der Tür nähern sich Schritte.
Marcel Hill: „Dreizehn und eine“
Bei den Vorbereitungen für den Heiligen Abend schwelgt Svana in Erinnerungen an vergangene, glückliche Weihnachtsfeste. Inzwischen ist das heile Familienleben nur noch eine Farce. Da stößt sie in einem alten Buch mit Weihnachtsgeschichten auf die Sage um die Grýla und deren dreizehn Söhne, die in den geweihten Nächten auf der Suche nach unartigen Kindern durch die Dörfer streifen.
„Sie war so verwirrt und ängstlich, dass sie noch nicht einmal auf die Idee kam, zu schreien oder Hilfe zu holen. Sie sah einfach nur zu, wie die Gestalten erst ihren Sohn, danach ihren Mann und schlussendlich ihre Tochter die Treppen herunterzerrten. Was Svana dabei am meisten verstörte, war das Geräusch, das die Köpfe ihrer Familienmitglieder machten, wenn sie auf den Treppenstufen aufschlugen - und es waren nicht wenige Treppenstufen.“ (Marcel Hill: „Dreizehn und eine“)
Seit einigen Jahre gehören phantastische (Vor-) Weihnachts-Anthologien zum Standard eines ausklingenden Jahres. Meist sind es Elfen, Zwerge oder Vampire, die mit den Tücken und Hoffnungen des Festes der Liebe konfrontiert werden. Herausgeber Marcel Hill hält dagegen und liefert mit „13 Gifts of Lady Santa“ eine wenig besinnliche Weihnachtsgeschichten-Sammlung der Marke Hammer Boox.
Ziemlich vergeblich sucht man hier eine wirklich glückliche Familie, die sich um den Baum versammelt hat. Alkoholisierte Angehörige, nur aufgrund einer ungeschriebenen Verpflichtung eingeladen, sind hier noch das Mindeste.
Unappetitliche Späße machen das Festessen zu einer eher widerwärtigen Angelegenheit für die ahnungslosen Verwandten. Mehr als eine Weihnachtsfeier gerät aus dem Ruder, wobei meist nicht alle Beteiligten die Festlichkeiten überleben.
So wird der Weihnachtsabend hier auch zu einer Zeit der Abrechnung, wenn sich der übers Jahr aufgestaute Frust endlich Bahn bricht.
Darüberhinaus ist diese gefühlsduselige Zeit auch für das eine oder andere Kindheitstrauma verantwortlich. Und neben der Belohnung der Gütigen darf auch die Bestrafung der Unartigen nicht fehlen; Krampus und Mutter Grýla lassen grüßen.
Besonders zartbesaitet sollte man bei der Lektüre dieser Anthologie also nicht sein. Und auch seine christlichen Werte mal kurz zur Seite schieben. Die meisten Beiträge bewegen sich zwischen schwarzhumorig und reichlich blutig beziehungsweise einer Mischung aus beidem. Heraus sticht Thomas Tippner, der mit „Der Welten Lohn“ eine sehr ernsthafte, melancholische, doch auch hoffnungsvolle Geschichte beigetragen hat.
Alles in allem hat Marcel Hill eine sehr kurzweilige und unterhaltsame Story-Mischung zusammengestellt.
Stamm-Covergestalter Azrael ap Cwanderay vermittelt auf dem Titelbild einen ersten Eindruck der Lady Santa, die selbst reichlich beschenkt wurde. Sehr passend.
„13 Gifts of Lady Santa“ ist eine weniger Stimmungs- als eher gehaltvolle Weihnachtsanthologie der Marke Hammer Boox. Sinn für schwarzen Humor und ein einigermaßen stabiler Magen sind Voraussetzung.