Timothy Zahn: Jagd auf Ikarus (Buch)

Timothy Zahn
Jagd auf Ikarus
(The Icarus Hunt, 1999)
Deutsche Übersetzung von Martin Gilbert
Titelbild von Arndt Drechsler
Heyne, 2010, Taschenbuch, 608 Seite, 9,99 EUR, ISBN ISBN 978-3-453-52756-0

Gunther Barnewald

Timothy Zahn ist einigen Lesern sicherlich als Autor grenzdebiler Military SF (z. B. war die faschistoide „Blackcollar“-Trilogie bei allen testosterongeschwängerten Hirnamputierten ein großer Erfolg und wird vom Heyne Verlag auf dem Cover als gefeiert“ apostrophiert) bekannt. Weniger bekannt ist leider, dass der Autor auch äußerst unterhaltsame und spannende Space Operas schreiben kann, die deutlich weniger klischeelastig sind, einen hohen Unterhaltungswert bieten und sogar auf die übliche xenophobe Arroganz der Menschheit verzichten, die der Autor sonst so drauf hat.

Zahns bisher bester Roman, „Astra“, erschien 1990 bei Heyne, ein weiteres, nicht ganz so gutklassiges Werk, trägt den Titel „Totmannschaltung“ (ebenfalls als Heyne-TB) und ist mit Einschränkungen ebenfalls lesenswert. Der Rest von Zahns Veröffentlichungen in Deutschland waren dagegen bisher eher Trivialschrott. Umso erfreulicher ist es zweifellos, dass der hier vorliegende Roman es in punkto Niveau und Unterhaltsamkeit mit seinem bisher besten Werk ganz und gar aufnehmen kann.

„Jagd nach Ikarus“ ist ein interstellarer Abenteuerschmöker von echtem Schrot und Korn (nein, nicht Schrott und Korn!), der auch kritischere Leser überzeugen dürfte (unter der Voraussetzung natürlich, diese mögen Space Operas).

Aus Sicht des Schmugglers Jordan McCell wird die Geschichte eines gefährlichen Raumflugs erzählt, denn die „Ikarus“, für die McCell als Pilot und Kapitän angeheuert wurde, transportiert eine geheimnisvolle Fracht, die bei einer Ausgrabung entdeckt wurde und hinter der die halbe Galaxis her zu sein scheint. Erst weiß McCell, der seine hohen Schulden jetzt bei einem einflußreichen Großkriminellen abarbeiten muß, nicht, um was es sich bei der Fracht handelt. Ihm wird deren potentieller Wert jedoch schnell klar, als er merkt, welch hohe Belohnung auf das Aufspüren der „Ikarus“ ausgesetzt ist. Als auch noch ein frisch angeworbenes Besatzungsmitglied stirbt, ahnt McCell, dass auch ein Verräter an Bord sein muss. Ein mysteriöser blinder Passagier verkompliziert die Situation noch zusätzlich, so dass der zwielichtige McCell und sein Alienpartner Ixil schnell ins Schwitzen geraten, während die „Ikarus“ sich von einem Raumschiffhafen zum nächsten schleicht...

Dem Autor gelingt es phänomenalerweise tatsächlich, die Spannung über 600 Seiten aufrecht zu erhalten, ohne einerseits zu lange Pausen einzulegen, andererseits aber dem Leser die Luft zum Atmen zu nehmen. Der herrlich zwielichtige Protagonist wird vom Autor glaubhaft dargestellt und erfreulicherweise zeigt sich auch im Verlauf der Handlung, dass Rassisten hier zu den Bösen gerechnet werden müssen, so wie der Gangsterboß, für den McCell arbeitet (was bei den „Blackcollar“-Büchern durchaus nicht der Fall war). Liebenswert ist dagegen McCells Partner Ixil, der zur Rasse der Kalixiri gehört. Diese habe neuronale Verbindung mit einer Rasse frettchenähnlicher Lebewesen, die für sie als Späher dienen. Und so hat Ixil immer die beiden kleinen Lebewesen Pix und Pax bei sich, die für ihn kundschaften können. Auch sonst lebt das Buch von einigen interessanten Ideen und natürlich von den vielfältigen kriminalistischen Elementen (wer ist der Verräter unter den Besatzungsmitgliedern, wer der blinde Passagier an Bord, was transportiert das Raumschiff wirklich und wer ist der Auftraggeber des Verräters?), die der Autor geschickt einsetzt. So kommt es schlußendlich sogar zum krimitypischen Showdown (und dies sogar zweimal), in dem der „Detektiv“ McCell seine Schlussfolgerungen offenlegt und den/die Verschwörer entlarvt. Bis dahin darf mitgerätselt und geraten werden, wer der Attentäter und Verräter unter den Besatzungsmitgliedern ist.

„Jagd auf Ikarus“ ist einfach Lesespaß pur! Ein ganz besonderes Lob verdient die wunderbare Übersetzung von Martin Gilbert, der sich nicht scheut auch flapsige Umgangssprache (Kappes, Rübenschwein etc.) einzusetzen und so dem Text zusätzlichen Witz und Lebensnähe verordnet. Außerdem sorgt die tolle Übersetzung für flüssigen und reibungslosen Lesegenuß beim Rezipienten.

Ein rundum gelungenes Buch, nicht übermäßig anspruchsvoll zwar, aber eine große Freude für den begeisterten Leser, dem gerade genug Zeit zugestanden wird, um immer wieder Luft zu holen für den nächsten packenden Abschnitt dieser wunderbaren bunten Abenteuergeschichte.