Volker Dützer: Die Ungerächten (Buch)

Volker Dützer
Die Ungerächten
Gmeiner, 2021, Paperback, 506 Seiten, 16,00 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Christel Scheja

Der 1964 geborene Volker Dützer lebt im Westerwald und schreibt Thriller und zeitgeschichtliche Romane; Themen die er auch gerne schon einmal miteinander verbindet, wie in dem hier vorliegenden Band „Die Ungerächten“. Er kehrt damit zu Hannah Bloch zurück, die bereits ein Abenteuer in „Die Unwerten“ erleben durfte.


Hannah Bloch hat die Aktion T4 überlebt und nach Kriegsende Aufnahme bei den Amerikanern gefunden. In den Trümmern Frankfurts fahndet sie auch 1947 noch nach Kriegsverbrechern, aber das findet ein jähes Ende, als sich die US-Streitkräfte aus diesem Bereich zurückziehen und das Ganze der deutschen Staatsanwaltschaft überlassen.

Hannah entscheidet sich trotz eines verlockenden Angebotes zu bleiben und ihre Arbeit fortzusetzen, denn sie kann nicht zur Ruhe kommen, bis sie den Mann findet, der Freunde von ihr umgebracht und sie selbst grausam drangsaliert hat. Denn bis er nicht bestraft ist, kann sie keine Ruhe finden. Bei ihrer Suche lernt sie auch Pawel kennen, der längst einen noch dunkleren Weg eingeschlagen hat.


Es ist hinlänglich bekannt, dass die Besatzungsmächte viele ehemaligen NS-Funktionäre und -Parteigänger in ihren Positionen belassen haben, wenn sie sich nicht allzu großer Verbrechen an der Menschlichkeit schuldig gemacht haben - wurden sie doch für den Wiederaufbau des am Boden liegenden Staates benötigt. Aber auch diejenigen, die sich als Ärzte, Wachen in den KZ und anderen Orts grausamer Verbrechen schuldig gemacht hatten und eigentlich verurteilt gehörten, wurden nicht unbedingt der Gerichtsbarkeit zugeführt, denn ein Netz aus Sympathisanten erleichterte ihnen die Flucht ins Ausland, darunter sogar die Kirche.

Das ist der Hintergrund der Geschichte, in der Hannah nach Gerechtigkeit sucht. Auch wenn sie es erst einmal nur auf einen Mann abgesehen hat, so kann sie doch dabei mitwirken, dass auch noch andere Schuldige verhaftet und bestraft werden. Durch sie erfährt der Leser mehr über die dunkle Seite der Nachkriegszeit, in der Täter oftmals besser weg kamen, als die Opfer. Der Autor enthüllt aber auch, dass es genügend Männer und Frauen gab, die Selbstjustiz verübten, weil sie sich von der Öffentlichkeit und den Behörden verraten fühlten.

Hannah und Pawel stehen dabei für die beiden Extreme; eine Frau, die versucht, ihr Leben in den Griff zu bekommen und ein Mann, der sich längst dem Hass und der Rache ergeben hat.

Das Geschehen ist in eine durchweg spannende Handlung verpackt, die aber auch zum Nachdenken und Recherchieren einlädt, denn das Thema wird auch heute noch gerne unter den Tisch gekehrt und verdrängt.

Natürlich kommen die Nazi-Verbrecher schlecht weg, können sie ihre Gesinnung und Natur doch nicht wirklich verbergen, bei den Hauptfiguren nimmt sich der Autor aber auch die Zeit, zu begründen, warum sie so und nicht anders handeln und wie leicht sie selbst dadurch Schuld auf sich laden; das macht den Roman sehr nachdenkenswert. Die Lektüre wirkt auch noch eine ganze Weile nach.

„Die Ungerächten“ bietet eine spannende Mischung aus Thriller und Historien-Roman, der gerade dadurch punkten kann, dass er ein oft verdrängtes Thema aufgreift und lebensnah umsetzt. Am Ende sieht man dank der zusätzlichen Erklärungen des Autors doch Einiges mit ganz anderen Augen.