Michael Schmidt (Hrsg.): Zwielicht Classic 15 (Buch)

Michael Schmidt (Hrsg.)
Zwielicht Classic 15
Titelbild: Oliver Pflug
2020, Paperback, 212 Seiten, 9,50 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Beim Verfassen meiner Rezension zu „Zwielicht Classic“ 16 fiel mir auf, dass ich „Zwielicht Classic“ 15 gar nicht gelesen hatte. Nicht schlimm, meinen Sie jetzt, schließlich gibt es da draußen ja mehr als genug Horror-Storys, so dass es auf die neun Geschichten und drei Artikel nicht mehr wirklich ankommt.

Weit gefehlt! Auch wenn Sie mit dem Hinweis, dass Jahr für Jahr eine fast nicht mehr überblickbare Anzahl von Kurzgeschichten der dunklen Phantastik erscheinen, sind die „Zwielicht Classic“-Bände etwas Besonderes.

Der Herausgeber, Michael Schmidt legt sich nämlich für uns Leser ins Zeug, und dies so richtig. Während wir uns entspannt zurücklehnen können und die Auswahl, quasi the Best of the Best goutieren dürfen, muss er sich als quasi Vorkoster durch die Unmengen an Erzählungen kämpfen, die oftmals kaum noch erhältlichen Anthologien lesen und dann die besten Stücke daraus auswählen. Er hat uns damit jede Menge Arbeit abgenommen. Und dafür - und nicht nur dafür - sollte ihm unser Dank und unsere Anerkennung gewiss sein!


Dies vorausgeschickt nun also zum Inhalt:

Nadine Muriel entführt uns in eine Klinik für vom Krieg Versehrte. Hier wird den psychisch wie physisch Verletzten eigentlich Heilung geboten. Nur in Sektion V geht etwas Geheimes vor - hier wird damit experimentiert, menschliche Gliedmaßen durch dampfbetriebene Künstliche zu ersetzen. Auf diese Weise soll aus der Bestie Mensch im Krieg ein unschlagbares Ungeheuer geschaffen werden - eine Krankenschwester kommt dem Geheimnis auf die Spur und entdeckt, dass sie selbst…

Max P. Becker beschäftigt sich, stilistisch ungewöhnlich aber sehr intensiv auf den Rezipienten wirkend, mit dem Sterben und der Trauer einer ganzen Stadt - nur einer weiß um ein schreckliches Geheimnis…

Silke Brandt präsentiert uns eine sehr kurze Story, in der ein Tätowierer und seine Kunst - aber auch sein Salär - im Mittelpunkt stehen.

Karin Reddemann nimmt uns mit in ein Zimmer, in dem ein Verhör stattfindet: Wer hat die besseren Nerven - der Beschuldigte oder der Ermittler? Das Psycho-Spielchen zehrt nicht nur an den Nerven der beiden Männer, sondern fasziniert auch die Leser.

Michael Schmidt berichtet uns von einer Gläubigen, die sich im Cafe scheinbar immer mit einem Unsichtbaren unterhält. Kellner und ihr Verehrer sind verwirrt, doch hinter den Gesprächen steckt ein handfester Plan.

Andreas Flögel stellt uns einen Menschen vor, dessen Wesen auf einen Roboter übertragen wurde. Nachdem seine Wartung zu teuer wurde, hat das Militär ihn ins Elend entlassen. Seitdem kümmert er sich hingebungsvoll um die Pflanzen des Slums - und benötigt dafür immer auch einen speziellen Dünger.

Gustav Meyrink ist uns insbesondere aus seinem Roman „Der Golem“ ein Begriff. In seiner 1916 erstveröffentlichten Geschichte schildert er die Auswirkungen eines Familienfluchs.

Friedrich Glausers 1933 veröffentliche Geschichte handelt von einem Wachtmeister, der einen Bauern verdächtigt, seine Ehefrauen - vier an der Zahl - umgebracht zu haben. Doch wie kann er die vermuteten Morde nachweisen?

Willy Seidel schließlich stellt uns einen Achtzehnjährigen vor, der dem Prüfungsstress in der freien Natur zu entkommen sucht - und in einem Waldstück eine Entdeckung macht.

Nils Gerrit-Horz beschäftigt sich im Sekundärteil dann in zwei Artikeln mit dem Werk August W. Derleth, ein Weggefährte Lovecrafts. Karin Reddemann darf den Band dann mit dem gewohnt ausschweifenden, immer aber interessanten Ausführungen zu Massenmördern, Hexenverfolgungen und deren filmische Umsetzung abschließen.


Ergo auch dieser Band ist ein Kauf wert, erwarten den Leser doch markante Storys, die durch ihre Vielfältigkeit beeindrucken.