K. J. Parker: Sechzehn Wege, eine befestigte Stadt zu verteidigen (Buch)

K. J. Parker
Sechzehn Wege, eine befestigte Stadt zu verteidigen
(Sixteen Ways to Defend a Walled City, 2019)
Übersetzung: Peter Bondy
Panini, 2021, Paperback, 398 Seiten, 17,00 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Das Glück war mir Zeit meines Lebens hold. Nicht, dass ich nicht so einiges zu überstehen hatte, doch inSgesamt kann ich mich wirklich nicht beklagen. Gestatten, dass ich mich vorstelle? Orhan der Name, Sohn des Siyyah Doctus Felix Praelarissimus. Als ich sieben Jahre alt war, wurden meine Eltern bei einem Überfall ermordet, ich geriet in Sklaverei. Glücklicherweise - ich erwähnte meine Fortune bereits, oder? - lernte ich dann das Zimmerhandwerk, ich kann ganz gut mit Säge und Hobel umgehen.

Als die kaiserliche Armee meine Sklavenhalter überfiel, nahm sie mit diesen auch mich gefangen. Tischler kann man immer gebrauchen, ergo erhielt ich als Milchgesicht die Staatsbürgerschaft und wurde dem Ingenieurkorps zugeteilt. Dann begann mein kometenhafter Aufstieg. Das hatte man noch nicht gesehen im von den blauhäutigen Robur geführten Reich: ein Milchgesicht als Regimentschef der Ingenieure!

Als eine fremde Macht meine Stadt überfällt und geschickterweise - das muss ich ihnen schon zugestehen - vorher alle Soldaten außer Gefecht setzt, komme ich gerade von einem Brückenbau irgendwo im Nirgendwo zurück. Der Kaiser liegt mit einem Schlaganfall darnieder; der Einzige, der von der Armee noch übrig ist, bin - ich?

Also frischauf, nichts wie weg - denken Sie jetzt. Da ich aber meinen Feinden viel verdanke - siehe oben - entschließe ich mich lieber dazu, die Stadt zu verteidigen. Fünfzehn Wege eine befestigte Stadt zu verteidigen gibt es - ich weiß, dass es so nicht funktioniert. Also muss ein neuer, ein sechzehnter Weg her. Also, die beiden Gilden an den Tisch geholt und in den Widerstand eingebunden.

Das geht natürlich nicht ohne jede Menge Bestechung, Lügen und der einen oder anderen Erpressung. Auch Falschmünzerei und die Entwicklung neuer, revolutionärer - nicht meine Ausdrucksweise! - Kriegsführungsstrategien kommt ganz gut. Dabei verursache ich viel zu viel Leid, erlange viel zu viel Aufmerksamkeit, als einem Milchgesicht zusteht - und werde entsprechend angegangen…

 

Hinter dem Pseudonym K. J. Parker versteckt sich niemand anderes als Tom Holt. Vor einigen Jahrzehnten erschienen einige seiner humorvollen Fantasy-Romane auch bei uns (Heyne), seitdem ist es aber leider ruhig geworden um den Erzähler.

Vorliegend präsentiert uns Panini in seiner neu gestarteten Fantasy-Edition einen Zweiteiler aus seiner Feder.

Das Buch selbst kommt als Paperback mit Klappenbroschur und der markanten, die Reihe prägenden Aufnahme des Titelbildmotivs auf dem Buchrücken daher. Allerdings hat Panini die Umschlagpappe derartig dünn gewählt, dass ein Lesen der Bücher ohne entsprechende Knicke im Rücken leider unmöglich ist.

Soweit zum Äußeren, dessen Titelbild wunderbar stimmig zum Inhalt passt.

Und selbiger hat es in sich! In einem lakonisch-selbstironischen Ton plaudert da ein Lebenskünstler aus dem Nähkästchen. Ohne jegliche Beschönigungen schildert Orhan die dramatischen Ereignisse, die ihn die Treppe des Erfolgs und der ungewollten Verantwortung immer weiter hinaufspülen.

Gerade weil Parker seinen Ich-Erzähler so ehrlich berichten lässt, wirkt der Text authentisch - aber auch sehr unterhaltsam. Orhan ist ein Schlitzohr, aber eines mit dem Herz auf dem rechten Fleck. Bei all den ihm begegnenden Animositäten, den Vorurteilen, dem Rassismus der Blauen gegenüber den Weißen, bleibt er integer und erstaunlicherweise um das Gemeinwohl bemüht. Für ihn selbst wäre es doch viel einfacher vor der Invasion zu fliehen - Schreiner braucht man immer -, auch seine Untergebenen im Ingenieurskorps fänden überall freudige Aufnahme. Stattdessen stellt er sich der Verantwortung und darf sich mit jeder Menge Problemen, Gefahren und Bedrohungen herumschlagen - und dies, ohne dass er etwas davon hätte!

Das liest sich sehr interessant, bietet dem Leser überraschend wenig Gewaltdarstellungen an, fokussiert mehr auf die Figuren und deren Schicksal. Eben jene Gestalten sind es also, die dem Roman sein Gepräge geben. Sie alle bleiben dem Leser im Gedächtnis, nehmen vor seine, inneren Auge Gestalt an. Mehr noch, ihre Handlungen sind in sich stimmig und für den Leser jederzeit nachvollziehbar. Dass bei all den dramatischen Ereignissen und der Bedrohungslage der Humor in den oft skurrilen Situationen nicht zu kurz kommt, zeigt das Können und die Klasse des Autors.

So ist dies ein erster Band eines Zweiteilers, der Appetit auf Mehr aus der Tastatur des Verfassers weckt. Ein Roman, der abseits großer Gewaltdarstellungen mit fixen Ideen und sympathischen Gestalten zu punkten weiß und bestens unterhält. Bitte mehr davon!