Kameron Hurley: Der Sterne Zahl (Buch)

Kameron Hurley
Der Sterne Zahl
(The Stars are Legion, 2017)
Übersetzung: Helga Parmiter
Panini, 2021, Paperback, 392 Seiten, 17,00 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Willkommen an einem Ort, wie man ihn sich einsamer kaum vorstellen kann. Rund um eine alte, vielleicht sogar künstliche Sonne treibt eine Armada aus Raumschiffen. Nun poppen in Ihnen Bilder aus den gängigen SF-Universen auf: technisch hochgezüchtete Schiffe à la „Star Wars“ oder „Star Trek“ - doch damit haben Hurleys Raumschiffe nichts zu tun.

Die gestrandete Armada besteht aus lebenden Weltenschiffen mit Tentakeln - vielleicht erinnert sich der eine oder andere an „Farscape“, die vorzügliche TV-Serie, in der ebenfalls ein lebendiges Raumschiff eine Hauptrolle spielte? Ein klein wenig geht es in diese Richtung, nur um dann abrupt abzubiegen und uns ganz andere interstellare Fortbewegungsmittel zu offerieren.

Die Raumer der Armada sind alt, verbraucht, beschädigt, ja krank. Bevölkert von Frauen - nur Frauen, Männer tauchen nicht auf! -, die nach ihrem zumeist gewaltsamen Tod recycelt werden, kämpfen die Familien Katazyrna und Bhavajas mitleidlos gegeneinander. Wer sich als erste den Zugang zu einem riesigen Schiff, dessen Hülle wie vom Krebs immer mehr zerstört wird, erkämpft, der wird nicht nur auf die Ressourcen dieses Schiffs zurückgreifen können, sondern auch die unangefochtene Anführerschaft über die Flotte gewinnen.

Seit Generationen wird Zan, die nach dem zweiten Recycling ohne Erinnerung daran was ihr bislang widerfahren ist, aufwacht, als Befehlshaberin ausgesandt. Sie soll erneut versuchen, das erkrankte Schiff „Mokshi“ zu betreten. Eine Mission, zu der sie bereits öfters angetreten ist, die sie nie aber auch nur ansatzweise erfolgreich absolvieren konnte.

Doch inzwischen haben Zan und Jayd, ihre Genossin, einen eigenen Plan, den sie umsetzen wollen - allen Widerständen zum Trotz, ahnen sie doch, dass sie sonst dem Untergang geweiht sind.


Was ist das für ein Einzelroman, den der Verlag uns hier anbietet? Ein Science-Fiction-Plot, der sich als so ganz anders entpuppt, als erwartet. Schon die Bühne - die lebenden, besser sterbenden Raumschiffe - wirkt ungewohnt, ja surreal, auch die Figuren sind Gestalten, die es dem Leser wahrlich nicht einfach machen, sich mit diesen zu identifizieren.

Zan, unsere Erzählerin, wacht ohne Erinnerung an ihre bisherigen Leben auf. Eigentlich eine gute, geschickte Ausgangslage für die Autorin, kann sie uns doch so mit und über ihre Erzählerin deren Welt vorstellen. Stattdessen aber fühlt es sich bei der Lektüre mehr an, als würden die ersten einhundert Seiten des Romans schlicht fehlen. Wir werden in die Situation geworfen, nichts wird erklärt und Vieles, nein eigentlich Alles muss der Leser sich selbst erschließen. Das ist kein einfaches Buch zum „runterlesen“, hier ist Mitarbeit, Sitzfleisch und die Nutzung der grauen Zellen vonnöten, um dem Plot etwas Logik zu entlocken.

Das erinnert ein ganz klein wenig an Werke von China Miéville oder Dan Simmons, ist dann aber von beiden doch wieder Lichtjahre entfernt.

Hurley hat unbestritten etwas Eigenes geschaffen. Diese Schöpfung aber konnte mich zumindest nicht wirklich in ihren Bann ziehen. Mir fehlte eine nachvollziehbare Motivation - ja ich weiß, es geht um die Rettung von und Vormachtstellung in der Flotte -, ich tat mich mit der sprachlichen Ausführung schwer. Wie gesagt, Hurley hat sicherlich etwas ganz Neues geschaffen - doch leider hat sie mich mit ihrer Schöpfung nicht wirklich packen können.