Corinne du Pré: Unter strenger Zucht (Buch)

Corinne du Pré
Unter strenger Zucht
Blue Panther Books, 2021, Taschenbuch, 170 Seiten, 12,90 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Irene Salzmann

Corinne, die gegenüber ihrem Mann devot ist, jedoch Kunden als Domina empfängt, lernt zufällig die hübsche Lisa kennen und nimmt diese unter ihre Fittiche, um zu verhindern, dass die unerfahrene junge Frau an Personen gerät, die ihr übel mitspielen. Obschon sie bereits ausgenutzt und in sexuelle Abhängigkeit gebracht worden war, hatte sie bisher Glück gehabt, dass die Begegnungen mit jenen folgenlos blieben.

Schritt für Schritt führt Corinne Lisa in devote und dominante Spiele ein, macht sie mit passenden Partnern bekannt und stellt ihr schließlich Andreas vor, der sogleich hin und weg ist und Lisa unbedingt näher kennenlernen will. Er akzeptiert sogar ihr Bedürfnis nach Züchtigung und hat offensichtlich kein Problem, bei erotischen Rollenspielen zum strengen Herrn zu werden, der ihr ein kräftiges Spanking verabreicht.

Als Andreas für mehrere Wochen auf Dienstreise geht, lässt sich Lisa von einem seriösen Clubmitglied, der sich gern mit „Rittmeister“ anreden lässt, zur Luststute abrichten, um ihren Horizont zu erweitern und weil sie die Schläge braucht. Zwar kommt es darüber hinaus zu keinen sexuellen Handlungen, denn Andreas soll der einzige Mann sein, mit dem sie schläft - aber wird er nach der Rückkehr auch damit umgehen können, dass es weiterhin andere gibt, die Lisa züchtigen und die von ihr gezüchtigt werden?


In der Welt von Corinne du Pré trennen devote und dominante Personen strikt zwischen dem Partner, den sie lieben und mit dem sie ihr Leben teilen, und Mitspielern, von denen sie sich willig peinigen lassen oder die von ihnen gepeinigt werden. Alles geschieht in gegenseitigem Einvernehmen, jeder soll dabei Lust erleben, wie er sie beim Blümchen-Sex kaum oder gar nicht empfinden kann.

Im Idealfall sind beide Partner an den Sessions und etwaigen weiteren Mitspielern interessiert oder tolerieren, dass sich der andere das, was man selber nicht geben kann, bei jemand holt, der sympathisch ist, ohne dass tiefere Gefühle mitschwingen. Da sich Corinne, ihr Mann und die gemeinsamen Bekannten in entsprechenden Clubs bewegen, ist es kein Problem, die passenden Kontakte zu knüpfen. ‚Normalen‘ Menschen begegnet man hier nicht (vergleichbar den Boys-Love-Mangas, in denen die Akteure ausnahmslos homo- oder wenigstens bisexuell sind, junge Frauen und Heteros allenfalls eine Nebenrolle innehaben oder gar nicht vorkommen).

Da es sich bei „Unter strenger Zucht“ und den anderen Büchern der Autorin um erotische Romane handelt, in die vermutlich teils fiktive, teils tatsächliche Begebenheiten eingeflossen sind, funktioniert das alles; gelegentliche negative Erfahrungen sorgen für einen kleinen Realitätsanker und Spannung. Dennoch erscheinen die Erzählungen zu glatt und mit einem zu happy ending. Man kann einfach nicht glauben, dass in diesem Umfeld wirklich alles so einvernehmlich und glücklich abläuft. Doch der Realitätsfaktor ist, der Dramaturgie geschuldet, nebensächlich.

Die Autorin erzählt, wie üblich, ein wenig aus ihrem eigenen Leben, jedoch stets mit einem schnellen Schwenk zu neuen Bekannten, meist mit dem Fokus auf eine ausgewählte Person, deren Geschichte und Weiterentwicklung das Hauptanliegen ist. Das Motiv dahinter liegt auf der Hand: Über ein sich einiges ‚altes Ehepaar‘ mit besonderen Neigungen kann man nur begrenzt schreiben, weil es wenig Spannungsmomente gibt, während Neulinge eine dramatische Vergangenheit und eine hoffnungsvolle Zukunft zu bieten haben, sodass man mit ihnen leiden, hoffen und lieben kann.

Die SM-Beschreibungen geizen keineswegs mit Details, überschreiten aber eine gewisse Grenze nicht. Allein wenn es (beim Rollenspiel) zur Flagellation kommt, verlieren die dominanten Beteiligten mitunter die Beherrschung und geraten in einen beängstigenden Rausch. Zwar machen sie sich im Anschluss Vorwürfe und wollen sich zu keiner zweiten Entgleisung dieser Art hinreißen lassen, doch wird das Geschehnis nach dem ersten Schreck bagatellisiert, weil dieses ‚Loslegen‘ so befreiend und wohltuend sei (wäre dann ein Punching-Bag nicht besser als ein devoter/wehrloser Mensch?). Selbst wenn der devote Part diese Behandlung erträgt, ja, wünscht, ist der Kontrollverlust des dominanten Mitspielers ob der Gefahren ein absolutes no go und darf nicht verharmlost werden.

„Unter strenger Zucht“ ist wie die anderen Romane von Corinne du Pré unterhaltsam zu lesen, nicht zu deftig, aber doch mit einigem ‚Oha!‘ - und im Bedarfsfall eine Mischung aus Betroffenheit und Verharmlosung, wozu die Autorin besser eindeutig Stellung beziehen sollte, um Anfänger, die sich von ihr inspirieren lassen, nicht auf falsche Wege zu führen.