Jessica Townsend: Nevermoor - Leere Schatten (Buch)

Jessica Townsend
Nevermoor - Leere Schatten
Übersetzung: Franca Fritz und Heinrich Koop
Titelbild: Eva Schöffmann-Davidov
Dressler, 2021, Hardcover, 510 Seiten, 20,00 EUR (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Morrigan Crow hatte es bislang in ihrem Leben nie leicht. Aufgewachsen in Jackelfax, wurde sie an ihrem elften Geburtstag von Jupiter Noth ins legendäre, geheimnisvolle Nevermoor entführt und dort dann bei der Wundersamen Gesellschaft erfolgreich aufgenommen. Dumm dabei, dass sie im Zug der Prüfung offenbaren musste, dass sie eine Wunderschmiedin ist - die Letzte, die Einzige, die im Land verblieben ist.

Einst waren die Wunderschmiede der Rückhalt der Wundersamen Gesellschaft und des Landes. Ihnen verdankt man unzählige Wunder und die Abwendung zahlreicher Gefahren. Doch dann ermordete einer aus ihrer Mitte seine Freunde und versuchte sich zum Alleinherrscher aufzuschwingen. Nun ist Ezra Squall der Erzfeind aller freien Menschen, seine Kollegen tot und seine Macht gefürchtet.

Ausgerechnet als Morrigan ihre Ausbildung als Wunderschmiedin beginnt, sucht eine Seuche das Land heim. Eine Epidemie, die Wundertiere befällt und ihnen ihre Intelligenz nimmt. Eine Seuche, die dazu führt, dass Menschen Angst bekommen - und Angst bringt bekanntlich das Schlechteste im Menschen zum Vorschein.

Vorurteile und Wundertier-Feindlichkeit greifen um sich, die Gesellschaft selbst wird angegriffen - und nur einer könnte die Seuche aufhalten - Ezra Squall, der Renegat…


Der Abschlussband der Trilogie liegt vor, respektive hinter mir. Die Frage, ob die Autorin die Qualität ihrer wunderbaren ersten beiden Titel erreichen würde, ist beantwortet.

Doch beginnen wir am Anfang: Die Autorin nimmt sich eines höchst aktuellen Themas an - eine Epidemie sucht das Land heim und zeitigt ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft. Das kommt uns sehr, sehr aktuell und bekannt vor, wenn Townsend uns von Leugnern, von Agitatoren und panischen Betroffenen berichtet. Vorher schon nimmt sie Anleihen bei der Realität - etwa, als sie uns von Pegida-ähnlichen Versammlungen berichtet, in denen die Stimmung gezielt aufgeheizt wird. Hier kommt weiter Tiefe in den Plot, die diesen weiter aufwertet.

Dummerweise hat eben jener Plot dies im dritten Teil der kleinen Saga, auch nötig. Die Handlung plätschert zu Beginn des Romans eher vor sich hin, als dass sie den Leser in die Handlung zieht. Zwar sind die auftretenden Figuren immer noch interessant gezeichnet, doch fehlt es hier an echten Fortschritten oder neuen Handlungsträgern.

Im Mittelteil des Buches zieht das Tempo dann merklich an, wobei mir auffiel, dass der Text immer wieder Brüche aufweist. Das Finale bietet sich etwas zu einfach, zu schnell und letztlich unbefriedigend an, bleiben doch viel zu viele Fragen offen.

Das Ganze wirkt ein wenig unfertig, wie ein Entwurf, dem die Über- und eine Ausarbeitung fehlt. Wo ist die Faszination, die die ersten beiden Teile so auszeichnete, wo der Sog der Ereignisse, der uns in die Handlung zog?

Erzählen kann Jessica Townsend nach wie vor. Sprachlich angenehm zu lesen, hatte ich den Eindruck, dass das Manuskript mit der heißen Nadel gestrickt wurde, dass die Autorin versucht hat aktuelle Bezüge in ihre Handlung einzubauen, dabei aber so Einiges auf der Strecke blieb, was ursprünglich vorgesehen war. So war die Lektüre für mich leider eine kleine Enttäuschung. Zwar werden die Geschehnisse zu einem Abschluss gebracht, allein viel zu Vieles bleibt unbeantwortet zurück. Der Verlag bleibt uns dieses Mal auch den Umschlag schuldig, dessen Illustration sich nun direkt auf dem Deckel wiederfindet.

Vielleicht legt Townsend ja noch einen vierten Teil nach, in dem sie uns vom weiteren Schicksal ihrer Protagonistin berichtet und die offenen Fragen dann beantwortet - zu wünschen wäre es, boten doch die ersten beiden Bücher wunderbare Lektüre!