Krystyna Kuhn: Das Tal – Season 1.1: Das Spiel (Buch)

Krystyna Kuhn
Das Tal – Season 1.1
Das Spiel
Titelgestaltung von Frauke Schneider
Arena, 2010, Taschenbuch, 300 Seiten, 9,95 EUR, ISBN 978-3-492-06472-7

Von Britta van den Boom

Als Julia Frost und ihr mathematisch hochbegabter jüngerer Bruder Robert in das Elite-College Grace kommen, das hoch in einem einsamen Tal in den Rocky Mountains in Kanada liegt, besteht kein Zweifel daran, dass die beiden Geschwister eine geheimnisvolle Vergangenheit hinter sich lassen wollen. Damit sind sie offensichtlich nicht alleine, denn jeder der charaktervoll beschriebenen Student scheint seine ganz eigenen – und oftmals wenig glücklichen – Gründe dafür zu haben, in einer Schule am Ende der Welt gelandet zu sein.

Die Idylle des Tals, überragt von den Ghost Mountains und mit dem als tückisch geltenden Lake Mirror in seiner Mitte, ist trügerisch. Nicht nur hat der sensible Robert den Eindruck, dass das College und der ganze Ort etwas Böses in sich tragen, auch Julia findet Anzeichen dafür, dass irgend jemand mehr über ihre Vergangenheit weiß, als ihr lieb ist. Hinzu kommen Geschichten von Studenten, die in den 1970er Jahren im Tal spurlos verschwunden sind; alte Gerüchte, die neue Nahrung erhalten, als nach einer verbotenen Begrüßungsfeier für die Studenten zwei Mädchen unauffindbar sind. Ist tatsächlich etwas Unerklärliches, Unheimliches am Grace College am Werk – oder ist es Julias eigene Anspannung, die ganz gewöhnliche Ereignisse zu mysteriösen Zwischenfällen macht?

Krystyna Kuhn spielt in dem Roman „Das Spiel“ sehr geschickt mit Möglichkeiten und schafft eine Atmosphäre von Unsicherheit, in der sich mit den Protagonisten auch der Leser verlieren kann. Ständig herrscht das Gefühl von Bedrohlichkeit, auch wenn es kaum belegbare Auslöser dafür gibt, nur ein Netzwerk aus Misstrauen, alten Geschichten, Zufällen und dem Schatten der Vergangenheit, der über Julia und ihrem Bruder liegt und sich langsam, Stück für Stück, erklärt. Somit ist es der ganz normale College-Alltag, der in dem Bild befremdlich erscheint, das Miteinander der Studenten, die kleinen Romanzen und Streitigkeiten, die Tage voller Unterricht und Belanglosigkeit, in denen Julia ihre Maske von ‚Everybody's Darling‘ aufrecht erhalten kann – bis ein Todesfall die scheinbare Harmonie zerstört. War es ein Unglück, war es Mord, ist das Tal wirklich ein Ort des Bösen? Immer bewegt sich Kuhn aus der Perspektive der traumatisierten Geschwister am Rande der Realität, immer wirft sie kurze, beunruhigende Blicke in eine Welt, in der etwas Geheimnisvolles lauert, bis der Leser froh ist über echte Fakten, wirkliche Erklärungen und handfeste Beweise. Doch auch am Schluss des durch dieses Grenzgängertum spannenden und stets wieder neugierig machenden Romans bleiben ungeklärte Fragen, die auf die kommende Fortsetzung, die den vielsagenden Titel „Die Katastrophe“ trägt, hinleiten.

„Das Spiel“ ist ein Thriller, in dem sich Facetten von amerikanischen College-Serien mit subtilen Psycho-Horror-Elementen mischen wie Wasser und Öl – eine interessante Kombination, die einen leicht und unterhaltsam durch das gut geschriebene Buch trägt.