Simon R. Green: Wer die Nachtigall hört – Geschichten aus der Nightside 3 (Buch)

Simon R. Green
Wer die Nachtigall hört
Geschichten aus der Nightside 3
(Nightingale’s Lament)
Aus dem Englischen übersetzt von Oliver Hofmann
Titelillustration von Oliver Graute
Feder & Schwert, 2008, Taschenbuch, 202 Seiten, 10,95 EUR, ISBN 978-3-86762-026-0

Von Carsten Kuhr

Sie kennen mich nicht? Nun, in der Nightside kennt mich jeder. Ich bin John Taylor, einer, nein eigentlich der Privatdetektiv der Nightside. Wenn Sie etwas vermissen, jemanden suchen und genügend Kleingeld haben, wenn Sie gar nicht mehr weiterkommen und ihnen niemand mehr helfen kann, dann kommen Sie zu mir. Ich finde alles – auch wenn das Gefundene manches Mal besser vergessen geblieben wäre.

In der Nightside ist es immer drei Uhr morgens – die lange, dunkle Stunde der Seele. Gegenwärtig aber ist es in der Nightside sogar noch dunkler als sonst. Nach dem Engelkrieg, der mit meine Hilfe und dem Unheiligen Gral beendet werden konnte (ich weiß, ich bin gut), habe ich so nebenbei dafür gesorgt, dass die Stromversorgung der Nightside zusammengebrochen ist. Nicht mein Fehler versteht sich, Kollateralschäden lassen sich eben so manches Mal nicht vermeiden. Und dann gibt es da noch einen neuen Star, Rossignol, eine Sängerin, deren Lieder so tieftraurig sind, dass sich ihre Fans gleich reihenweise umbringen. Als ich mich daran mache zu ermitteln, ob hier auch alles mit rechten Dingen zugeht, stoße ich, das erste Mal seit Langem auf Gegner, die mir auf Augenhöhe begegnen. Die Cavendishs, Bruder und Schwester, Mann und Frau in Personalunion, heizen mir mächtig ein – so mächtig, dass ich mir Hilfe suchen muss.

Nun ist Hilfe in der Nightside immer zu finden – wenn man den geforderten Preis bezahlen kann. Nepper, Schlepper, Bauernfänger, das müsste eigentlich das Motto der Nightside sein. Nichts ist je, wie es scheint, sagt Dead Boy, einer der gefürchteten Gestalten der Nightside, und der muss es wissen, ist er doch seit dreißig Jahren so mausetot wie man nur sein kann, und trotzdem quietschlebendig. Dass er seine Seele nicht verlor sondern verkauft hat, macht ihn für mich zum idealen Partner. Zusammen begeben wir uns nicht nur in Calibans Höhle, dem Nighclub, in dem Rossignol auftritt, sondern nehmen es auch mit der Höllenfahrt, den Bluthunden die mich verfolgen, auf – doch dann kommt die Geheimwaffe der Cavendishs zum Einsatz und ich und mein Partner sitzen so richtig tief drin in der Scheiße ...

Wie kann man Simon Greens etwas andere Urban-Fantasy-Reihe kurz aber prägnant zusammenfassen? Gar nicht, werden Sie sagen, und recht damit haben. Kann man seine „Shaman Bond“-Serie (bei Bastei-Lübbe) noch als „James Bond auf Speed“ titulieren, entzieht sich die Nightside jeglichem Vergleich. Diese ist so überkandidelt, dass es fast wehtut, liest sich wie ein wirklich merkwürdiger Drogenrausch, ist dabei aber so unterhaltsam und voller skurriler Figuren und Anspielungen, dass es schon wieder eine wahre Freude ist, sich auf das wohltuend schmale Büchlein einzulassen. Immer wieder zieht der Autor gängige Handlungsschemata und stereotype Charaktere durch den Kakao, besticht durch, in der sehr guten, werkgetreuen Übersetzung von Oliver Hoffmann, seinen unterschwelligen Humor und seine zum Teil beißende, persiflierende Ironie.

Das liest sich wie eine Achterbahnfahrt, spottet jeglicher Logik, ist aber unterhaltsam und spannend zugleich, wie kaum eine andere Reihe. Unverständlich, dass die großen Verlage dieses Juwel an Ideen und Spannung sich haben entgehen lassen, umso mehr erfreut uns die sehr stimmige Feder & Schwert-Ausgabe.