Zeig mir das Meer - Eine Coming-out-Geschichte (Comic)

Zeig mir das Meer - Eine Coming-out-Geschichte
(You brought me the Ocean, 2020)
Text: Alex Sanchez
Zeichnungen: Julie Maroh
Übersetzung: Sanni Kentopf
Panini, 2021, Paperback, 212 Seiten, 16,99 EUR

Rezension von Christel Scheja

Das Faszinierende an den Geschichten für jugendliche Leser, die unter dem Label Panini Ink laufen ist wohl, dass sie aktuelle Themen ansprechen und auch entsprechend modern umsetzen. Dabei erlebt man ganz neue und eigene Facetten der Superhelden mit, die oft erst anfangen, ihre Fähigkeiten zu entdecken, aber auch ihre ganz persönlichen Neigungen. So wie in „Zeig mir das Meer - Eine Coming-out-Geschichte“.

 

Jake Hyde kennt nichts anderes als die Kleinstadt mitten in der Wüste Nevadas. Allerdings hat er eine große Sehnsucht nach dem Meer, die sich einfach nicht stillen lässt. Deshalb will er eigentlich nach Miami gehen um dort Meereskunde zu studieren, auch wenn seine Freundin und seine Mutter viel lieber haben, dass er bliebe.

Allein ein Junge aus dem Schwimmkurs, den er insgeheim bewundert, scheint ihn zu verstehen und auch noch eine andere Seite aus ihm herauszukitzeln, dessen sich Jake bisher nicht bewusst war. Und so erwartet ihn schon bald eine Zeit voller Überraschungen und Enthüllungen.


Tatsächlich spielt der Superhelden-Aspekt nur einen kleinen Anteil an der Geschichte. Es mag ja sein, dass Jake eine Art Freak ist, der aus irgendwelchen Gründen Wasser manipulieren kann, aber das begründet nur die Angst seiner Mutter. Viel mehr geht es um den Moment, in dem sich der Junge bewusst wird, dass er eigentlich keine Mädchen liebt. Klar, er hat seit Kindertagen eine beste Freundin, aber in der sieht er eher eine Schwester. Bei Kenny Liu aus dem Schwimmkurs flattern allerdings die Schmetterlinge im Bauch.

Und so gibt es gleich auch ein zweifaches Coming-out: Jake erfährt nicht nur, wer sein Vater ist und warum seine Mutter nicht will, das er ans Meer zieht, sondern wird sich auch seiner eigenen Sexualität bewusst.

Bewundernswert ist hier, dass ihm kaum Abscheu und Abneigung entgegenschlägt, sondern er tatsächlich auch Leute findet, denen er sich anvertrauen kann, selbst unter den Erwachsenen.

Das Ganze ist liebevoll und warmherzig umgesetzt, macht deutlich, dass ein Coming-out vielleicht niemals einfach ist, aber auch immer genug Leute da sind, die einen auffangen und Freundschaften auch nicht zerbrechen müssen. Das ist die positive Aussage des Titels, die vielleicht auch dem einen oder anderen jungen Leser Mut macht, mehr zu Gefühlen und Neigungen zu stehen.

Ein bisschen Action und Abenteuer gibt es natürlich auch, denn wie könnte es anders sein, wenn natürlich auch engstirnige Jungs an der Schule sind, die alle niedermachen, die nicht ihrem Weltbild entsprechen. Das hilft auch Jake bei der Entwicklung seiner Fähigkeiten.

„Zeig mir das Meer - Eine Coming-out-Geschichte“ ist wieder einmal eine gelungene und moderne Neuinterpretation von Superhelden-Legenden, die ein heute um so bedeutsameres Thema offen und direkt anspricht, das vor Jahren noch undenkbar gewesen wäre - vor allem in der Jugendliteratur.