Narben (Comic)

Narben
(Scars, 2014)
Text: Warren Ellis
Titelbild und Zeichnungen: Jacen Burrows
Zeichnungen: Jens R. Nielsen
Dantes, 2019, Paperback, 164 Seiten, 17,00 EUR

Rezension von Elmar Huber

Detective John Caine von der Mordkommission San Francisco bekommt einen brutalen Fall auf den Schreibtisch, der ihn an den Rand des Erträglichen führen wird. Die zerstückelte Leiche der neunjährigen Tiffany Payne wird, in drei Kartons verpackt, vor einem Geschäft des Kinderschutzbundes abgestellt. Drei Monate zuvor ist das Mädchen auf dem Nachhauseweg von einer Freundin spurlos verschwunden. Die Leichenteile weisen Spuren übelster Misshandlungen auf.

Der Tod seiner Frau und seiner kleinen Tochter holen Caine wieder ein, und er verliert auf der Jagd nach dem Mörder zunehmend die Bodenhaftung.

 

Inwieweit muss man bei der Jagd nach einem Monster selbst zum Monster werden? John Caine ist nach außen hin ein harter Brocken, der sein Leben, nach dem Tod seiner Familie, voll und ganz der Jagd nach Verbrechern gewidmet hat. Doch wenn er allein ist, hört er die Stimme seiner toten Tochter, die ihn zum Spielen auffordert.

Der Fall der zerstückelten Tiffany Payne, und vor allem die Tatsache, dass das Mädchen zuvor über Monate gequält wurde, wirft den Cop endgültig aus der Spur. Gegen jedes Berufsethos gibt er Tiffanys Eltern das Versprechen, den Mörder zur Rechenschaft zu ziehen. Wie ein Besessener nimmt er die Ermittlungen auf, geht den Schulweg des Mädchens ab, findet einen möglichen Entführungsort und einen Verdächtigen, der nach außen hin ein ganz normales Leben führt. Überzeugt, den Schuldigen gefunden zu haben, bewegt sich Caine nicht nur am Rande der Legalität, er überschreitet diese unsichtbare Grenze.

Was Warren Ellis hier erzählt ist weder ganz neu noch besonders raffiniert erzählt. Doch überzeugt „Narben“ eben durch diese schnörkellose Geradlinigkeit und das Tempo, mit dem der Cop auf den Abgrund zurast. Immer weiter erhöht sich der Druck, und es gibt eigentlich nur ein mögliches Ende für diese, John Caines Höllenfahrt. Dass sich der Autor nicht scheut, unappetitlich zu werden, ist hinreichend bekannt.

Mit Jacen Burrows (Alan Moores „Providence“) hat Warren Ellis einen stilsicheren Künstler an Bord, dessen nüchterne Zeichnungen die Wirkung der Story perfekt unterstützen.

Angesichts solcher Veröffentlichungen kann niemand etwas dagegen haben, wenn sich der Dantes Verlag weiter als deutscher Spezialist für Avatar-Press-Projekte etabliert, dem Verlag in den USA wo das Original erschien..

„Narben“ ist ein kraftvoller, schnörkelloser und blutiger Hardboiled-Thriller mit dem Tempo eines D-Zugs.