Professor Zamorra 1137: Der Frostjahrmarkt, Adrian Doyle (Buch)

Professor Zamorra 1137
Der Frostjahrmarkt
Adrian Doyle
Bastei Entertainment, 2017, eBook, 1,49 EUR

Rezension von Elmar Huber

„Die Wagen, ein gutes Dutzend, bildeten einen vielfach unterbrochenen Kreis auf dem Eis, das die Stadt beiderseits des Flusses wie eine im Mondlicht glitzernde Straße teilte. Die Lichter der Häuser entlang der Ufer spiegelten sich in dem matten Weiß, als gäbe es eine zweite, identische Stadt - und damit auch Menschen - in der Tiefe.“

London, 1684: Carrie Bird, Zamorras und Nicoles Ziehtochter, taucht nach einer erneuten unkontrollierten Teleportation unvermittelt im Haus der jungen Familie Bartlock - Jeremy, Mabel und Baby Emma - auf. Zunächst sieht der Hausherr in ihr eine schamlose Einbrecherin, doch ihr merkwürdiges Verhalten, die Intervention seiner Frau und vor allem die positive Reaktion von Klein-Emma, die der Fremden auf mysteriöse Weise verbunden zu sein scheint, stimmen ihn versöhnlich.

Der Auftrag seines Arbeitgebers führt den Journalisten der „London Gazette“ mit seiner Familie auf den Frostjahrmarkt, eine Ansammlung von Gauklern und fahrendem Volk, die - scheinbar aus dem Nichts gekommen - auf der eingefrorenen Themse ihre Zelte aufgeschlagen hat und dem Publikum ihre Kunststücke und Attraktionen präsentiert. Während Jeremy immer mehr in den Bann des exotischen Spektakels gerät, nimmt seine Frau das Treiben als zunehmend bedrohlich wahr.

Gegenwart: Nicole reist nach Florida, um herauszufinden, ob die Kolonie der Regenbogenblumen auf Tendyke‘s Home ebenfalls, wie diejenigen im Château Montagne, ein Bewusstsein haben. Das negative Ergebnis und Unregelmäßigkeiten mit der künstlichen Sonne, welche die unterirdisch wachsenden Blumen im Chateau versorgt, lassen einen neuen Verdacht keimen. Was, wenn die künstliche Sonne für die ‚Intelligenz‘ der Blumen verantwortlich und es gleichzeitig jemandem möglich wäre, den Einfluss auf die Blumen zu steuern?

„Bartlock mied den Blick zu seiner Frau. Er wollte sich nicht ständig ihrem stummen Vorwurf ausgesetzt sehen. Aber er fand bald ohnehin kaum noch Gelegenheit, sich mit ihr zu befassen. Stattdessen erlag er den Attraktionen dieses obskuren Rummels, der ihn in seine schönsten Kindheitsstunden zurückversetzte. […] Und so hörte er endgültig auf, auf die Stimmen achtzugeben, die nicht auf der Oberfläche erschallten, sondern von unten kamen.“


Der Frostjahrmarkt auf der Themse ist keine Erfindung des Autors; tatsächlich ist der Schiffverkehr auf der Themse, bevor bauliche Änderungen das unwahrscheinlich gemacht haben, aufgrund eisiger Temperaturen einige Male zum Erliegen gekommen. Auch mehrere „Doctor Who“-Episoden spielen während eines derartigen Ereignisses.

Im vorliegenden Roman bedient Adrian Doyle drei Handlungsstränge, die sich parallel entwickeln und auch am Ende nicht wirklich zusammenfinden. Dass Carrie ausgerechnet zur Zeit dieses mysteriösen Jahrmarkts in London landet und Zeugin der mysteriösen Ereignisse wird, scheint nur ein Zufall zu sein. Auch eine Erklärung für das Erscheinen der Fahrleute erfolgt nicht. Die Gegenwartshandlung befasst sich mit der Veränderung der Regenbogenblumen, die schon vorher thematisiert wurde, und ist (beinahe) komplett losgelöst von den 1684er Ereignissen.

Dafür punktet die Episode wieder einmal mit ihrer beinahe entrückten Stimmung, die Adrian Doyle sehr schön langsam und mysteriös aufbaut. Zwar gibt es einige befremdliche Szenen und Andeutungen, doch wird erst nach und nach klar, was es mit den Schaustellern des Frostjahrmarkts tatsächlich auf sich hat. Und sobald es an der Zeit ist, zieht der Autor die Schraube an und verwandelt die unwirkliche Szenerie dieses speziellen Rummels in pure, tödliche Bedrohung.

Dazu sind die Nebencharaktere, die Carrie flankieren, sehr gut gezeichnet, und auch hier gibt es ein Geheimnis-Element, nämlich dass Baby Emma wohl auf beinahe hellsichtige Weise in der Lage ist, Menschen zu beurteilen, und sich gleich zu Carrie hingezogen fühlt.

Das Cover ziert ein sehr atmosphärisches Bild, das jedoch null mit dem Romaninhalt zu tun hat.

Es wird nicht alles erklärt, und es will sich auch nicht alles glatt zusammenfügen, doch zieht „Der Frostjahrmarkt“ gerade aus dieser ‚Unfertigkeit‘ einen traumhaften Reiz.