Kevin J. Anderson: Auf den Schwingen des Drachen (Buch)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Mittwoch, 09. September 2020 20:33

Kevin J. Anderson
Auf den Schwingen des Drachen
(Spine of the Dragon, 2019)
Übersetzung: Michael Siefener
Titelbild: Kerem Beyit
Heyne, 2020, Paperback, 720 Seiten, 14,99 EUR, ISBN 978-3-453-32071-0 (auch als eBook erhältlich)
Rezension von Carsten Kuhr
Vor langer Zeit wurden die Menschen als Vasallen und Kanonenfutter im Kampf gegeneinander von den verfeindeten Stämmen der Wreth geschaffen. Ohne Seele sind sie dazu verdammt, nach ihrem Leben zu verblassen. Nur wenn sie etwas zurücklassen, an das ihre Nachfahren denken, wird man sich an sie erinnern.
Damals, vor Generationen, kam es zum Aufstand; die Wreth schienen besiegt und haben sich in den lebensfeindlichen Schmelzofen zurückgezogen. Seit Jahrhunderten hat man voneinander nichts mehr gehört - die Erinnerungen an die einstigen Sklavenhalter beginnen zu verblassen. Wenn nicht überall die Ruinen der von diesen gebauten Städte unübersehbares Zeugnis von deren einstiger Größe ablegen würde, man könnte sie ins Reich der Mythen verbannen.
Genauso ergeht es der Sage um den unter der Feste im ewigen Schlaf liegenden Drachen. Dereinst, so die Prophezeiungen, wenn der Drache erwacht, wird zum letzten Gefecht gerufen, bevor die Götter auf die Erde zurückkommen.
Bis dahin aber stehen sich die befreiten Reiche der Menschen feindlich gegenüber. Auf der einen Seite, auf einer riesigen Insel ansässig, wird Ishara nicht etwa von der nominell dort herrschenden Empra, sondern de facto von den Priestern, die die Macht übernehmen wollen, geführt. Mittels der durch diese gefangengesetzten und gesteuerten Gottlinge, dunklen Wesen, die sich von Blut ernähren, arbeiten sie aktiv auf den letzten Krieg gegen die verfeindeten Menschenreiche, dem Imperium der Drei Königreiche, hin.
Als eines Tages die Wreth aus der Wüste kommen ahnen die Menschen, dass ein altes, besiegt geglaubtes Übel sein Haupt reckt - suchen die Wreth doch, im Kampf gegeneinander, die Herrschaft über ihre alten Truppen wieder aufzunehmen.
Kevin J. Anderson ist dem Leser bekannt. In schöner Regelmäßigkeit veröffentlicht er Romane zu TV-Serien oder Kinofilmen - hier sind insbesondere seine Geschichten um die Young Jedi Knights und seine „Akte X“-Titel zu erwähnen. Mit seiner SF Saga um „Die sieben Sonnen“ hat er außerhalb eines vorgegebenen Kosmos bewiesen, dass er Space Opera zu schreiben weiß.
Nun also legt uns der Heyne Verlag ein voluminöses Fantasy-Werk vor, den Auftakt zu einem neuen Zyklus. Dass man vom Verlag Michael Siefener mit der Übertragung aus dem Englischen beauftragt hat, weist darauf hin, dass man von dem Buch viel erwartet.
Potential hat der Auftakt der neuen Reihe. Zwar braucht Anderson Zeit und Platz um uns seine Geschichte zu erzählen, verwirren zunächst die häufigen Perspektivwechsel, doch gleichzeitig wird dadurch das Setting und die vielen handlungsrelevanten Figuren bestens beleuchtet.
Der Konflikt des friedlichen Staatenbunds gegen das magische Reich, die lange verschollene Bedrohung aus der glutheißen Wüste und ein erwachender Drache - das sind nun von ihrer Anlage her keine wirklich Neuen Ideen - doch Anderson kann schreiben.
Die malerischen Dörfer und Städte, die intrigante Priesterschaft, die einsame Herrscherin und die Sandwreth und Frostwreth - das alles vereint sich, nach und nach, zu einem interessanten Gemenge.
Wie schon gesagt: Anderson lässt sich Zeit. Man hat locker einhundert Seiten hinter sich, ohne dass man wirklich in der Geschichte angekommen ist. Doch dann fallen die Puzzleteile an ihren Platz, nimmt der Plot Tempo auf, wird Dramatik groß geschrieben.
So braucht der Leser ein wenig Sitzfleisch um in die komplex angelegte Handlung zu finden. Dann aber wird er mit vielen unterschiedlichen Schauplätzen, interessanten Figuren und einer finsteren Bedrohung belohnt.