Rosaria Munda: Feuererwachen (Buch)

Rosaria Munda
Feuererwachen
(Fireborne, 2019)
Übersetzung: Nadine Püschel
Titelbild: Kristie Radwilowicz
Arctis, 2020, Hardcover, 484 Seiten, 20,00 EUR, ISBN 978-3-03880-023-1 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Einst herrschten die Familien der Drachenherren mit eiserner Hand über das Reich. Von Geburt an zum Herrschen erzogen, ritten sie auf ihren feuerspeienden Drachen durch die Lüfte, das gemeine Fußvolk hatte zu parieren und zu darben. Während die Bauern und Handwerker verhungerten, prasste der Adel. Wenn ein Dorf aufmuckte, bekam es Besuch von einem Drachenreiter - nur verbrannte Ruinen und ein zumeist sehr junger Zeuge des gnadenlosen Massakers blieben zurück.

Eines Tages kam es zur Revolution. Angeführt von Verrätern aus den Haushalten des Adels erhoben sich die Geknechteten, riefen ein Reich der Gleichheit und Brüderlichkeit aus.

Nur ganz Wenigen aus den Herrscherfamilien gelang die Flucht. Lee, der eigentlich Leon heißt und der jüngste Sohn des herrschenden Drachenherren ist, kommt unerkannt ins Waisenhaus, in dem er die Bekanntschaft von Annie macht. Dass deren Familie von seines Vaters Drachen verbrannt wurde und sie dabei zusehen musste, ahnt er zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Beide eint ihr unbändiger Wille, das Auswahlverfahren zu bestehen und in die neu geschaffene Luftabwehr der Republik aufgenommen zu werden. Gemeinsam lernen sie ihre Drachen zu reiten, Übungskämpfe zu absolvieren und langsam aber sicher die Karriereleiter hinauf zu steigen.

Als sie beide im Auswahlverfahren, wer die Truppe anführen soll übrig bleiben kommt die Kunde, dass geflohene Adelige eine Rückeroberung des Reichs planen. Fremde Drachen werden gesichtet, ein neuer Krieg steht an - und Lee weiß nicht, auf welcher Seite er sich positionieren soll.


Was sind das doch für faszinierende Geschöpfe - die Rede ist von den fliegenden, feuerspeienden Lindwürmern, dem Volk besser bekannt als Drachen. Die Nibelungen besangen ihre Schätze und ihre Herrlichkeit, Naomi Novik, Anne McCaffrey und Christopher Paolini verdanken ihren Geschichten um Drachen ihre Popularität.

Nun also macht sich eine neue Stimme auf, den Sagen um die Drachen eine weitere Facette hinzuzufügen. Rosaria Munda aber zeichnet ihre Drachen als Tiere, legt ihren Schwerpunkt auf ein heikles Thema - es geht um Revolution!

Der Aufstand der Massen gegen die diese knechtende Führungsschicht, das erinnert ein wenig an die Französischen Revolution, an liberté, egalité, fraternité.

Statt uns aber das bestimmt dramatische Geschehen der Revolution direkt nahe zu bringen, ist der Aufstand bereits Geschichte und wir erleben den oft steinigen Weg der Rebellen, einen Staat aufzubauen mit. Mehr noch, aus Sicht eines der am schlimmsten betroffenen Opfer und eines der privilegierten Schicht wird das Geschehen in der Rückschau betrachtet, erleben wir die für die beiden damaligen Kinder traumatischen Ereignisse aus zweiter Reihe mit. Dass sich die Beiden anfreunden, dass immer wieder eine gegenseitige Faszination, ja mögliche Romanze angedeutet wird, verleiht dem Plot zusätzlich Würze.

Im Zentrum aber stehen zwei Handlungsstränge: Wer wird die fliegenden Truppen der Republik befehligen und wie wird Lee seinen Gewissenskonflikt lösen?

Für welche Seite er sich auch entscheidet, immer wird die Entscheidung mit einem herben Verlust verbunden sein. Dort, die verlorenen geglaubte Nichte und seine Familie, hier die langjährige Freundin und die Kameraden. Aus diesem Zwiespalt zieht der Roman seine Dramatik.

Geschickt hat die Autorin hier die Gewissensnöte dargestellt, wobei sie sich nicht nur auf Lee konzentriert, sondern auch Annie, die vom Geheimnis ihres Freundes weiß, in einen vergleichbaren Konflikt stürzt. Soll diese ihrem Freund vertrauen, oder den vermeintlich drohenden Verrat offenbaren?

Daneben nehmen die Drachen eine eher untergeordnete Stellung ein. Der Autorin geht es um ihre jungen Erzähler, sie konzentriert sich auf deren Gefühlschaos, deren Ängste und Nöte. In der Wahl der jugendlichen Protagonisten, die erwachsen werden müssen, die Verantwortung übernehmen und weitreichende Entscheidungen treffen, hat sie für die angepeilte jugendliche Leserschicht ideale Identifikationsfiguren geschaffen.

Im Finale gibt es erste Entscheidungen, der Grundstein für die Fortsetzung wird gelegt und der Leser schließt das Buch befriedigt zu.