Jim Butcher: Die Verschwörer von Kalre – Codex Alera 3 (Buch)

Jim Butcher
Die Verschwörer von Kalare
Codex Alera 3
(Cursor’s Fury)
Aus dem amerikanischen Englischen übersetzt von Andreas Helweg
Titelillustration von Max Meinzold
Blanvalet, 2010, Paperback mit Klappenbroschur, 640 Seiten,15,00 EUR, ISBN 978-3-442-26585-5

Carsten Kuhr

Willkommen zurück in Alera, einem fiktivem Land, das dereinst von römischen Legionären besiedelt wurde. In einem Reich, in dem jeder besondere Kräfte, Elementare genannt, wirken kann, haben wir einen Jungen kennengelernt, der eben jene Kräfte nicht entwickelt hat.

Gaius Octavius, oder Tavi wie er sich nennt, kann keinen Windelementar herbeirufen, um mit dessen Hilfe zu fliegen, mittels Erdkräften über die imperialen Straßen eilen, oder mit Hilfe der Wasserelementare Krankheiten und Verletzungen heilen. So ist er Zeit seines Lebens darauf angewiesen, mit Witz und Einfallsreichtum seine vermeintliche Schwäche auszugleichen. Was keiner, er selbst am allerwenigsten, ahnt ist, dass ausgerechnet der unbegabte Tavi der Enkel des Ersten Lords, Gaius Sextus, ist. Zwischenzeitlich hat er die Ausbildung zum imperialen Kursor, zum Spion, durchlaufen und soll nun zunächst aus der Schusslinie der vielen den Imperator bedrohenden Adeligen gebracht werden. Als Versorgungsoffizier wird er einer neuaufgestellten Legion zugestellt, um dort, fernab der Möglichkeit, dass ihn außer dem Imperator jemand als verschollenen Thronerben des verstorbenen Sohnes Sextus´ erkennt, weitere Erfahrungen zu sammeln. Kaum ist er bei der Legion angekommen, erschüttert Verrat das Imperium. Lord Kalare, eine der mächtigsten Adeligen des Reichs, hat im Geheimen zusätzlich zwei Legionen aufgestellt und setzt seine Streitkräfte in Richtung Hauptstadt in Marsch. Damit nicht genug, will er durch weiteren Verrat für noch mehr Chaos sorgen. So hat er mit den riesigen, wolfsähnlichen Canim von jenseits des Meeres einen Pakt geschlossen. Diese sollen nicht nur verhindern, dass die Ritter Aeris des Imperators in die Lüfte steigen, sondern auch Kräfte an der fernen Küste binden. Seine Pläne scheinen aufzugehen, bis sich herausstellt, dass die Canim dieses Mal nicht nur zum Plündern gekommen sind. Im Gepäck haben sie ihre Weibchen und den Nachwuchs, ihre Flotte haben sie selbst in Brand gesetzt. Die Canim sind gekommen, um sich das Reich als neue Heimat und die Menschen als Nahrung zu erobern. Gleich zu Beginn gelingt es ihnen, fast die gesamte Führung der einzigen Legion, die sie vielleicht bremsen könnte, zu vernichten. Übrig blieb nur ein unerfahrener Versorgungsoffizier, eben Tavi, auf dessen schmalen Schultern nun die Zukunft des Reiches ruht. Tavi nimmt sich mit gewohnter Intelligenz und Erfindungsreichtum der Aufgabe an – auch wenn er auf verlorenem Posten zu stehen scheint...

Jim Butchers insgesamt sechsteiliger „Codex Alera“-Zyklus erweist sich zunehmend als veritable Pageturner. Nach einem etwas zögerlichen Auftakt, in dem der Autor uns seine Weltenschöpfung mit all ihren Besonderheiten und die wichtigsten agierenden Personen vorgestellt hat, zog das Tempo schon im zweiten Band merklich an. Nachdem unser Protagonist seine Ausbildung zunächst abgeschlossen hat, gerät jetzt zunehmend die politische Situation in den Brennpunkt des Interesses. Da der herrschende Fürst es bislang, nach dem Tod seines Sohnes in einer Schlacht, versäumt hat einen Thronerben zu benennen, scharren die mächtigsten Adeligen mit den Hufen. Intrigen, Verrat und Gewalt breiten sich aus. Gaius Sextus selbst versucht, geschwächt und zurückgezogen, die unterschiedlichen Parteien gegeneinander auszuspielen. Dass er, nachdem er die auch für ihn überraschende Existenz eines Enkels verinnerlicht hat, diesen zunächst aus der direkten Schusslinie nehmen will, ist dabei verständlich. Als zukünftigen Anführer muss der Junge sowieso die inneren Abläufe einer gerade auf die Macht ihrer Legionen ruhenden Machtbasis kennenlernen. Dass er ihn die Karriereleiter zunächst von unten erklimmen lässt, ist zwar nicht ganz glaubwürdig, führt aber zu interessanten Einsichten – insbesondere was die Vermessung und Planung der Aborte anbelangt. Nachdem der Autor im ersten Drittel, das durchaus amüsant und kurzweilig zu lesen ist, seine Konflikte aufgebaut hat, verfolgen wir im weiteren Verlauf des Buches die beiden großen Handlungsstränge. Zum einen erleben wir mit Tavi die Schlacht um die Brücke, über die die Canim ins Land einfallen wollen, mit, zum anderen macht sich eine waghalsige Truppe Agenten auf, gefangene Geiseln zu befreien. Das Kommandounternehmen der Geiselbefreiung sorgt nicht nur dafür, dass wir einen Einblick in das Reich des Verräters, dessen Denk- und Handelsweise bekommen, sondern gibt dem Autor auch die Gelegenheit seine Intrigen spinnenden Adeligen weiter zu portraitieren.

Die Handlung um Tavi selbst bietet dem Leser dann alles, was er von einer packenden Kampfschilderung erwartet. Am Vorgehen der Legionäre des Römischen Reiches orientiert, angereichert durch die magischen Gaben der Ritter, kämpft unser Held einen eigentlich aussichtslosen Kampf. Dennoch gibt er nicht auf, schafft mit Mut und Cleverness immer wieder, dass er selbst aus aussichtslosen Situationen entkommen, ja teilweise triumphieren kann. Nie aber verbirgt der Autor den Preis, den es hierfür zu zahlen gilt. Natürlich wuchert er mit dem Nimbus des Underdogs, dem es aus eigenem Einsatz gelingt, gegen alle Chancen zu überleben. Gerne schlüpft der Rezipient in die Rolle des Jungen – wenn auch nicht unbedingt beim Latrineausmessen – gerade, weil er durch seine Unfähigkeit, Elementare zu wirken, sich als normaler Mensch durchsetzen muss. Mit ihm zusammen triumphieren, lieben, kämpfen und trauern wir.

Das ist bestes Abenteuer-Garn, voller Dramatik, Tempo und Spannung.