Monster 13: Flucht (Comic)

Naoki Urasawa
Monster 13
Flucht
Übersetzung: Mario Hirasaka
EMA, 2005, Taschenbuch, 214 Seiten, 6,50 EUR, ISBN 978-3-89885-692-8

Rezension von Irene Salzmann

Der japanische Arzt Tenma wird auf der Suche nach Johann, einst sein Patient und nun ein Mörder, außerdem der Grund für all seine persönlichen Verluste und aktuellen Probleme, von der tschechischen Polizei verhaftet und soll nach Deutschland ausgeliefert werden. Ein Mitgefangener bietet ihm an, ihn mitzunehmen, wenn er zu fliehen versucht.

Zunächst lehnt Tenma ab, da er überzeugt ist, seine Unschuld an den Morden, die auf Johanns Konto gehen, beweisen und die Behörden auf die Gefahr, die von dem jungen Mann ausgeht, aufmerksam machen zu können. Doch seine Ex-Verlobte Eva, die weiß, was wirklich passiert ist, lehnt ab, für ihn auszusagen, weil sie ihm die Schuld an ihrem sozialen Abstieg und Alkoholismus gibt. Als Tenma jedoch etwas über Eva erfährt, wovon diese wohl nichts ahnt, ändert er seine Meinung.

 

Um sich nicht selbst um ein großes Lese-Vergnügen zu betrügen, sollte man die Serie von Anfang an lesen. Man kann sich zwar auch als Quereinsteiger Vieles anhand der Dialoge und Rückblenden zusammenreimen, doch fällt es dann sehr schwer, die einzelnen Begebenheiten, die den roten Faden ausschmücken, wie die Teile eines Puzzles an die richtigen Stellen zu legen,

Überdies trifft man keineswegs auf eine überschaubare Zahl von Handlungsträgern, sondern auf immer neue Personen, die Tenma oder andere eine Weile begleiten, für immer aus der Handlung verschwinden oder unverhofft zurückkehren. Desweiteren wechseln ständig die Lokalitäten und die jeweiligen Akteure. Scheinbare Nebensächlichkeiten erweisen sich in einem anderen Kontext als bedeutsam.

Nicht zu vergessen: Es ist faszinierend, wie Naoki Urasawa dieses Krimi-Drama aufgebaut hat, beginnend mit einem renommierten Mediziner, der die ethisch richtige Entscheidung trifft und deshalb tief fällt, denn Beziehungen sind wichtiger als Recht und Moral. Nach Jahren kommt er wieder auf die Beine, viel bescheidener als zuvor, und wird eines Tages mit den Folgen seines Handelns konfrontiert. Natürlich konnte Tenma nicht ahnen, dass Johann eine blutige Spur durch halb Europa ziehen würde. Ihn um jeden Preis zu finden und aufzuhalten, ist nun die Triebfeder des flüchtigen Arztes, der Stück für Stück herausfindet, was Johann zu dem werden ließ, der er nun ist.

Tenmas Dilemma lautet, ob eine unmoralische Tat (nämlich einen Menschen/Mörder zu töten) ethisch vertretbar ist, um eine moralische Tat (den zuerst eingelieferten Jungen statt des Bürgermeisters durch eine Operation zu retten) aufgrund der neuen Umständen zu korrigieren (nachdem die erste Entscheidung das „Monster“ hatte überleben lassen). In gewisser Weise erinnert das an den Fluch des Orestes, der ihn in jedem Fall getroffen hätte: entweder als Muttermörder oder weil er den ermordeten Vater nicht gerächt hat.

„Monster“ ist in packender, dramatischer Psycho-Thriller, der den Leser nicht kalt lässt und durch den faszinierenden Plot sowie ‚Manga untypische‘ Zeichnungen auch Kreisen gefallen dürfte, die eher zu europäischen und amerikanischen Comics greifen.