Vertigo Select 13: Death (Comic)
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- Kategorie: Rezensionen
- Veröffentlicht: Samstag, 28. August 2010 21:26
Neil Gaiman
Vertigo Select 13
Death
(Death: The High Cost of Living #1-3, Death talks about Life, Death: the Time of your life # 1-3, A Death Gallery, Sandman: A Gallery of Dreams, Skybos Vertigo Tradong Cards, Skybox Sandman Trading Cards, Vertigo’s a Winter’s Edge #2,9-11, The World’s finest Comicbook Writers and Artists tell Stories to remember, 1989-2003)
Aus dem Amerikanischen von Gerlinde Althoff
Titelillustration von Dave McKean
Zeichnungen von Chris Bachalo, Mark Buckingham, Dave McKean
Farbe von Matt Hollingsworth
Panini, 2010, Paperback mit Klappenbroschur, 196 Seiten, 19,95 EUR, ISBN 978-3-86607-931-1
Christel Scheja
Zu den Nebenfiguren der „Sandman“-Reihe, die schon früh Fans fanden und immer wieder gerne gesehen wurden, gehört Dreams Schwester Death. Der Tod in der Gestalt eines jungen Mädchens ist weit davon entfernt, ein grimmiger Sensenmann zu sein, der das Ableben wie eine Strafe erscheinen lässt. Eher im Gegenteil. Sie beweist immer wieder, dass das Sterben nicht das Ende bedeuten muss und man ihm durchaus auch mit einem Lächeln entgegengehen kann, weil es Erlösung bietet. Der dreizehnte „Vertigo Select“-Band präsentiert die Sammlung der Hefte und Miniserien, in denen „Death“ die Hauptrolle spielt.
In „Der Preis des Lebens“ wird Sexton Furneval für eine Weile zu ihrem Wegbegleiter. Der Junge stammt aus einer zerrütteten Familie und lebt alleine mit seiner Mutter in einer großen Mietskaserne in einem der verrufenen und zerfallenden Viertel der Stadt. Der Vater ist schon vor vielen Jahren davon gelaufen, und manchmal gibt er sich auch die Schuld dafür. Er erwartet nicht viel vom Leben, ist aber auch noch nicht auf die schiefe Bahn geraten, wie so viele andere. Dem seltsamen Goth-Mädchen namens Didi, gekleidet in Schwarz, mit einer Tätowierung im Gesicht und einem silbernen Ankh als einzigem Schmuck, begegnet er das erste Mal auf der Müllkippe. Weil ihn seine Mutter aus der Wohnung geworfen hat, versucht er die Zeit totzuschlagen und rutscht dabei aus. Didi befreit ihn aus seiner Zwangslage und weicht von da an nicht mehr von seiner Seite. Sexton wundert sich, dass er sie bisher nicht gesehen hat, obwohl alle anderen sie zu kennen scheinen. Aber das ist nicht die erste ungewöhnliche Begegnung dieses Tages.
In „Die Zeit deines Lebens“ ist die erfolgreiche Sängerin Foxglove die meiste Zeit mit sich selbst beschäftigt. Sie komponiert und schreibt Songs, hält Kontakt zu der Presse, aber wirklich Anteil am Leben der Menschen, die in ihrer Nähe sind, nimmt sie nicht. Sie wird erst aufgerüttelt, als ihr Manager Larry überraschend an einem Herzanfall stirbt. Doch damit schwindet er nicht ganz aus ihrem Leben, denn manchmal sind die Wege von Death unergründlich.
Ebenfalls im Band enthalten sind die Kurzgeschichten „Eine Wintergeschichte“ und „Das Rad“, sowie „Death spricht über das Leben“, die bisher noch nie in Deutsch erschienen.
Wer „Sandman“ kennt wird auch „Death“ lieben. Mehr als etwa „Thessaly“ ist die Schwester von Dream mit dem Mythos um den Herrn der Träume verbunden und erlebt ihre Geschichten in dem gleichen Stil wie der Bruder – in den Alltag ganz normaler Menschen fließt das Geheimnisvolle und Phantastische ein und bleibt lange verhalten, ehe es dann irgendwann sehr heftig ausbricht. Selbst wenn es in diesen Momenten auch schon einmal brutal oder eklig wird, so geschieht dies nicht zum Selbstzweck, sondern ist eher ein zynischer Kommentar zu den Dingen, die tagtäglich auf der Straße geschehen.
Die Erzählung ist überraschend ruhig. Man muss auch hier die Bilder genauer betrachten und in den ausführlichen Dialogen zwischen den Zeilen lesen, um zu erkennen, was die Figuren wirklich damit aussagen wollen. Oftmals sind es kleine Details, die den Kern der Sache treffen und deutlich machen, auf was die Geschichte hinzielt – vor allem in „Die Zeit deines Lebens“. Gerade in „Der Preis des Lebens“ kann der Leser feststellen, dass Deaths Welt um einiges dunkler und realistischer ist, als die ihres Bruders. Dennoch ist sie aber ist kein grimmiger und erbarmungsloser Tod, der sich einfach nur die Seelen holt. Manchmal bringt sie auch die Menschen erst durch die Konfrontation mit den letzten Stunden ihres Lebens dazu, ihre bisherige Existenz noch einmal zu überdenken und sie zu ändern, weil ihre Stunde eigentlich noch nicht gekommen ist. Das zeichnet „Death“ wie die Mutterserie „Sandman“ aus. Auch hier ist Neil Gaimans federführende Hand zu erkennen, sein immenses Wissen um Mythologie und Literatur, sein wacher Blick für das, was um ihn herum geschieht und nicht zuletzt auch sein großes Geschick in der Umsetzung seiner Gedanken und Ideen.
Für „Sandman“-Leser ist „Death“ ein Muss, da der Band die Serie interessant ergänzt und eine beliebte Figur lebendig beleuchtet, aber auch wer sonst auf düster-melancholische aber nicht blutrünstige oder ekelhafte Mystery-Geschichten steht kann bedenkenlos zugreifen. Denn noch nie war die Verkörperung des Todes so eigenwillig und überraschend lebensbejahend in der Auslegung ihrer Rolle.