M. W. Ludwig: Die Loge der Lucretia - Der Earl von Gaudibert gegen die Mächte der Finsternis 2 (Buch)

M. W. Ludwig
Die Loge der Lucretia
Der Earl von Gaudibert gegen die Mächte der Finsternis 2
Titelbild: Grit Richter
Art Skript Phantastik, 2020, Paperback, 424 Seiten, 14,50 EUR, ISBN 978-3-945045-37-4 (auch als eBook erhältlich)

Rezension von Carsten Kuhr

Das Übernatürliche geht um in und um London des Jahres 1897. Nicht genug damit, dass ein Zirkus, der „Théatre du Grand Guinol“, der sich dem Übernatürlichem verschrieben hat, in der Stadt an der Themse gastiert, allüberall werden Séancen durchgeführt, sieht und trifft man auf Gespenster, Heimsuchungen und wandelnde Tote - oder brüstet sich zumindest damit.

Gerade die Hautevolee schmückt sich gerne mit dem Anrüchigen der Geisterwelt, so dass auch und insbesondere der Adel und die Herren aus ihren Clubs mit den düsteren Gefilden turteln. Mittendrin ein leidlich erfolgreicher Romanschreiber wie H. G. Wells, der Cambridge-Professor Sir St. John-Smythe, der Gentleman Earl of Gaudibert Graham McPherson und der Teufelsanbeter Aleister Crowley. Sie alle führt der lange zurückliegende Tod und das Verschwinden der Heather Grace Melmoth im malerischen Küstenort Hamish Hamilton im Jahre des Herren 1818 zusammen.

Was sie jeweils mit dem vermuteten Verbrechen, der Heimsuchung und einem mysteriösen Spiegel, durch den man Zutritt zu den tiefsten Gefilden der Hölle bekommen soll, zu tun haben, bleibt lange unklar.

Es geht natürlich um die Suche nach Erkenntnissen, nach Wissen, nach Aufklärungen und nach den damit verbundenen Schätzen, wenn auch weniger derer der merkantilen Art. Es geht um Rache, um Liebe, skandalöserweise sogar um gleichgeschlechtliche Zuneigung, um Verbrechen, Erpressung und, ja Mord. Und es geht um Okkultisten, eine Assassinen-Loge, um ein Irrenhaus, um Beschwörungen, Entführungen und Vergiftungen - und darum, sich aus all diesem Tohuwabohu einen Reim zu machen.


Teil Zwei der Abenteuer des Earl of Gaudibert gegen die Mächte der Finsternis liegt rechtzeitig zur Leipziger Buchmesse vor.

Eigentlich kann, nein soll der Leser genau da anschließen, wo er im ersten Teil des umfangreichen Romans geendet hat. Sprich, nach einer kurzen Rekapitulation dessen, was bislang geschah, geht es munter weiter im faszinierenden Sittengemälde des ausgehenden 19. Jahrhunderts.

Die Figuren sind uns mittlerweile leidlich bekannt, wobei der Autor hier noch ein wenig draufsattelt, dafür andere Handlungsstränge - noch - erst einmal im Sande verlaufen; ich vermute einmal, die chinesischen Triaden und Opiumschmuggler werden sicherlich irgendwann in einem der nächsten Werke wieder ins Rampenlicht treten.

Stattdessen konzentriert sich der Autor auf seine starken Frauenfiguren. Hier begegnen uns geschundene, missbrauchte, clevere, intrigante und gefährliche Frauen, die alle ihr Päcklein zu tragen haben, ihre Pläne voran treiben und ihre Ziele zu erreichen suchen.

Immer deutlicher wird, dass damals an der Küste etwas geschah, das verdammenswert, das böse war und bis heute nachwirkt. Etwas, das das Leben vieler Beteiligter aus ihren Bahnen riss. Was nur ist damals wirklich passiert, wo blieben die Verschwundenen, was wurde aus den damals Beteiligten?

Und wieder stellt sich weniger die Frage, wo und wie man den Roman nun einordnet - klassische Detektivgeschichte, Sittenroman, Grusel-Story - sondern mehr die Suche, aus der Vielzahl der auftretenden Figuren herauszufinden, was jede mit den Vorgängen zu tun hat, was sie erreichen will. Und dies macht der Autor sehr geschickt; er legt Fährten, gibt Hinweise und macht Andeutungen, so dass man nach und nach ein Puzzle zusammensetzt, in dem jedes Teil seinen Platz findet.

So bleibt das Tempo hoch, die Faszinationskurve gespannt und im Finale wartet eine befriedigende Auflösung der Rätsel auf den Leser. Unmöglich aber kann dies das Ende der Abenteuer des Earl of Gaudibert sein, blieben doch so einige Ansätze unbenutzt und offen zurück.